Babel

Foto von Christian Brachwitz
Burgtheater Wien


Stücke 06

 

Noch irgendwelche Fragen zum Thema Irak-Krieg und Abu Ghraib? Ein bisschen Gratis-Empörung vom moralischen Feldherrnhügel gefällig? In Babel, Elfriede Jelineks Nachkriegs-Traumaprotokoll zum amerikanischen Angriff auf den Irak, sind wirklich alle gleich, ganz gleich ob es sich um den Hauptredner Peter (Kern), einen amerikanischen GI, einen Blackwater-Security-Söldner, irakische Terroristen, Vernunftgott Apoll oder den gehäuteten Marsyas handelt. In den verwegenen Kippfiguren, die das Gegensätzlichste und Widersprüch-lichste in einen mächtigen, sich ungebremst fortschwallenden Redebrei mischen, gehen die moralischen Sicherheiten nicht nur abenteuerliche Allianzen ein: Irgendwann im großen Monologisieren bekommen alle Recht, egal ob gerade von Maria, der Muttergottes, oder der Mutter von Mohammed Atta, von Lynndie England oder Athene die Rede ist.
Das babylonische Stimmengewirr ist Elfriede Jelineks Programm, und zwar keineswegs im biblisch katastrophischen Sinn. Denn dessen Traum, 10 Gebote von oben für alle, ist für die meisten ein normativer Alptraum. Jelineks Angriff auf alle stolzen Moralbesitzer macht aus der Not die Tugend, den jeweils anderen nicht nur zuhören zu können, sondern ihnen auch noch die eigene Stimme zu leihen. Dass dabei alle und jede unter die Räder und wieder auf die Beine kommen, die im ethisch aufgeladenen Konfliktfeld Amerika-Irak-Terrorismus ihre Positionen sorgsam abgesteckt haben, macht den Reiz dieser Redeschlacht aus.
Franz Wille

 

Uraufführung: 
18.3.2005

 

Mit: Sachiko Hara, Barbara Petritsch, Myriam Schröder, Philipp Hauß, Markus Hering, Philipp Hochmair, Rudolf Melichar, Hermann Scheidleder

Regie: Nicolas Stemann
Bühnenbild: Katrin Nottrodt
Kostüme: Esther Bialas
Musiker: Thomas Kürstner / Sebastian Vogel
Puppenspiel: Angelika Höckner / Hanna Hollmann