KinderStücke 2019
Heimat. Kemal wusste wahrscheinlich immer, was das Wort bedeutet, solange er nicht darüber nachdenken musste. Jetzt aber muss er. Die Schule will, dass er irgendetwas mitbringt, was für ihn mehr als nur Geburtsort, Adresse und Zuhause ist – Heimat eben. Eine einfache Hausaufgabe, wie es scheint. Kemal muss nichts schreiben oder rechnen, er muss nicht einmal ein Buch aufschlagen. Das, was er hier wissen und kennen soll, weiß und kennt er doch schon. Nur was? Was ist so beschaffen, dass es genau für seine, Kemals, Heimat stehen kann?
Kemal gibt sich ehrlich Mühe, aber ihm will nichts einfallen. Er fragt seine Familie. Ein Fehler. Fußballshirt, Reisepass, sogar eine Schüssel Milchreis werden fröhlich zu Beweisstücken für Heimat aufgerufen. Alle wissen Bescheid, aber niemand hat eine Ahnung. Kemal nun aber schon: Wer keine Heimat hat, dem fehlen mehr als nur ein paar Hausaufgaben. „Ich hab nichts … Ich bin auch nichts“, verzweifelt er und wird krank. Das ändert sich, als das Mädchen Ella vor ihm steht. Mit „Haydi“, dem türkischen Lieblingskinderbuch der Großmutter, finden die beiden Heimat, während sie sie erfinden.
Wenngleich von Faschismus und volkstümelndem Kitsch schwer beschädigt, bezeichnet das Wort „Heimat“ ein wichtiges Lebensgefühl. Autorin Katja Hensel weiß das. Sie lüftet den Begriff mit viel Situationskomik und Wortwitz durch, ohne ihn lächerlich werden zu lassen.
Oliver Bukowski
„Heidi“ gehört zu den beliebtesten Kinderbüchern in der Türkei. „Haydi!“ heißt auf Türkisch aber auch „Auf geht’s!“.
Mit: Anke Fonferek, Miriam Haltmeier, Tobias Loth, Sandro Šutalo
Regie: Anne Verena Freybott
Bühne und Kostüme: Franziska Isensee
Dramaturgie: Silvia Stolz