+++ Die 50. Mülheimer Theatertage finden vom 10. – 31. Mai 2025 statt. +++

Unser VorBLICK auf...

WAS DAS NASHORN SAH, ALS ES AUF DIE ANDERE SEITE DES ZAUNES SCHAUTE von Jens Raschke

In den Hintergrundinformationen zum Stück heißt es:

„Es gab tatsächlich einen Zoo im Konzentrationslager Buchenwald.
Der erste Lagerkommandant, Karl Koch, ließ ihn im Frühjahr 1938 von den Häftlingen direkt am elektrisch geladenen Lagerzaun errichten, mit dem erklärten Ziel, den SS-Angehörigen und deren Familien „in ihrer Freizeit Zerstreuung und Unterhaltung zu bieten (...)“.“

Jedoch sei dies kein Stück über das Konzentrationslager Buchenwald, so der Autor Jens Raschke, „darüber lässt sich wohlmöglich gar kein Stück schreiben [...]“.
Er schrieb ein Stück über die Auseinandersetzung der dort gehaltenen Tiere, mit dem, was auf der anderen Seite des elektrisch geladenen Lagerzauns mit den „Gestreiften“ geschieht.

Bis zu vier Schauspieler*innen wechseln zwischen mehreren Rollen: als Erzähler*innen schildern sie dem Publikum die Geschichte des Zoos und seiner Insass*innen. Als Tiere spielen sie in leichter Sprache und mit vielschichtigem Humor die Sicht der Zoo-Bewohner*innen. So wollen nicht alle Tiere - auch nicht im Vergleich zu den KZ-Häftlingen - das Leben in ihrem vermeintlichen Paradies akzeptieren...
So entsteht ein großes Spannungsfeld zwischen den leichten und meist komischen Tier-Dialogen und der Realität des Holocaust. Das schlechte Gewissen beim Auflachen ist der Beweis - denn was dem Autor besonders gelungen ist, sind die kurzen Momente, in denen wir uns der Schönheit und dem Witz der Tiere hingeben und uns kurz darauf das Grauen des Konzentrationslagers, das wir kurz vergessen hatten, wieder einholt. Im Hinblick auf die Inszenierung durch Ramin Anaraki wünschen wir uns folglich, dass die Tragik nicht ausgespielt wird, sondern, im Kontrast zur Komik, bei den Zuschauenden entsteht. Das setzt voraus, dass die Leichtigkeit des Spiels gehalten wird.

Die empfohlene Altersangabe des Autors liegt übrigens bei 9+ - die Inszenierung durch Ramin Anaraki wird ab 10 Jahren empfohlen. Wir sind gespannt, wie das Stück von unter 14-Jährigen rezipiert wird, da wir im ersten Moment annehmen würden, dass das Stück eine Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus voraussetzt. Ein Punkt, der im Nachgespräch oder im Gespräch mit der Jugendjury aufgenommen werden sollte.

Wir haben dieses Stück allerdings nicht (nur) als gut aufbereitetes Theater über vergangene deutsche Geschichte gelesen, sondern auch als Parabel, die recht gut zu unserer oft wegschauenden Gesellschaft in der „Festung Europa“ passt.
Dieser Transfer, in unsere aktuelle Lage, darf unserer Meinung nach gerne in der Inszenierung mitschwingen.