Die FrageBLICKE auf...

WAS DAS NASHORN SAH, ALS ES AUF DIE ANDERE SEITE DES ZAUNES SCHAUTE

Die KinderStücke-Theaterpädagogin Lisa Hetzel (LH) moderierte das Publikumsgespräch nach der ersten Vorstellung von Was das Nashorn sah, als es auf die andere Seite des Zauns schaute mit dem Team der Inszenierung und dem Autor:

Autor: Jens Raschke (JR)
Inszenierung: Ramin Anaraki (RA)
Dramaturgie: Maria Schneider (MS)
Erste / Murmeltiermädchen u.a.: Anja S. Gläser (ASG)
Zweiter / Papa Pavian u.a.: Marius Lamprecht (ML)
Dritter / Bär u.a.: Thomas Hofer (TH)

Steht kein Kürzel vor einer Antwort oder Frage, sprachen Kinder aus dem Publikum - wenn verschiedene Kinder auf eine Frage antworteten, ist dies durch Anführungszeichen für die jeweiligen Aussagen gekennzeichnet.

 

LH: Welcher Moment aus der Inszenierung ist euch jetzt noch besonders im Kopf?
„Als der Junge erschossen wurde“
„Wie der Bär den Schornstein hockgeklettert ist“
„Als sich der Bär an seine Familie erinnert, an seine Mutter und seine Schwester.“
„Als der Bär in die Sterne blickt.“
„Als dieses Murmelmädchen eingeschlafen ist.“
„Als der Bär den Honig im Schlaf gerochen hat.“
„Als das Murmeltier wieder aufgewacht ist.“
„Als der Bär in den Schornstein gefallen ist.“
„Als die Kinder von den Gestiefelten in den Zoo kamen“
„Als das Mädchen die ganze Zeit gesagt hat: ‚1, 2, 3 – Jetzt heul ich!’“
„Als der Gestreifte vor den Zaun sprang.“
„Ich fand die Mimik von den Schauspielern sehr gut! Vor allen Dingen auch von dem Bär!“
„Ich fand den Anfang gut – als sie das erzählt haben mit dem Zoo.“
LH: Was fandest du da besonders interessant?
„Also das Schwarzweiß-Foto, dass das alles auf einem Berg ist...“
„Als sie vom Bär, der eisläuft erzählen.“
„Ich fand das lustig, als der Junge den anderen Jungen umgebracht hat und der Vater nur gesagt hat ‚Ne ne ne!’“

LH: Habt ihr denn noch Fragen?

War das schwer den Russischen Akzent zu lernen?
TH:
Es war nicht schwer, aber es war eine Suche. Das steht ja nicht im Textbuch drin – da steht nicht aufgeschrieben, dass es ein russischer Akzent ist. Aber wir haben uns gedacht das ist der Bär, der kommt aus Russland - irgendwas wollten wir dem geben. Dann haben wir tatsächlich das mit dem Russischem-Akzent-sprechen ausprobiert, aber dann wurde der so alt. Dann wurde irgendwann dieses leicht jiddische/ein bisschen russische daraus – so ein Mischmasch. Das war wirklich eine lange Suche, bis anderthalb oder eine Woche vor der Premiere haben wir da rumgesucht.
Das war auch ein sehr spannender Prozess, das zu finden.

Wie konntet ihr das so wirklich rüberbringen? Dass es so richtig echt ist?
TH: Das ist eine gute Frage! lacht
ML: Das ist unser Job! lacht auch
MS: Ich finde das ja so toll, dass das Stück das schafft und auch eure Spielweise, dass es eben einerseits Menschen sind, die diese Geschichte erzählen, dass sie dann aber andererseits Tiere werden, die dann aber auch mal ganz kurz die Kinder der Gestiefelten werden. Also, wie schnell auch diese Wechsel gehen.
Und ich finde es toll, dass du sagst wie echt das gewirkt hat, weil das super ist, dass man jetzt nicht jedes Mal 10 Minuten Umziehen braucht und dann noch ganz viel Maske und dann sieht man wie ein echter Bär aus – hier ist man dann der Bär. Das ist auch ein tolles Angebot von dem Stück. Dass es einerseits dieses Erzählen und aber auch das Spielen hat. Ich finde, dass das ein ganz großes Geschenk ist!

War das Stück nur für heute gemacht?
MS: Ne, wir spielen das hier zwei mal.
Und in Osnabrück wird das richtig oft gespielt. Vormittags ganz oft. Und das schaffen wir dann schon, dass wir in einer Spielzeit – das ist ungefähr ein Schuljahr – die 50er Marke schaffen.

War das jetzt das erste Mal?
ASG:
Das erste Mal in Mülheim!
AR: Aber insgesamt waren’s 20 Male.

Wie lange habt ihr dafür geprobt?
RA:
Wir haben 6 Wochen geprobt. viele Kinder staunen – es ist nicht ganz klar ob sie staunen, weil es ihnen lang oder zu kurz vorkommt
ML: Das ist nicht wenig – das ist normal!

 

Gab’s die Geschichte schon oder wurde die jetzt von euch erfunden?
LH: Also der Jens hat die Geschichte geschrieben – das Theaterstück. Vielleicht kannst du kurz sagen, wie/was da zuerst da war...
JR: Also am Anfang war’s wirklich ein Schwarzweiß-Foto, das ich in einem Buch gefunden hab, worauf die Ruine von diesem Bärenzwinger im Konzentrationslager Buchenwald abgebildet war. Das fand ich irgendwie sehr interessant, weil ich davon noch nie etwas gehört hatte. Also ab einem gewissen Alter hört man ja sehr viel von dieser Zeit - vom Dritten Reich, von den 30er/40er Jahren und was da so passiert ist – und denkt irgendwann mal man hat alles gehört, kennt alle Geschichten aus dieser furchtbaren Zeit. Und auf einmal sieht man dieses Foto vom Zoo, was ja eigentlich so ne schöne Sache sein kann, aber in einem Gefängnis erwartet man das nicht. Ich hab dann viel darüber nachgeforscht und hab festgestellt, dass es darüber gar nichts gab. Dass da nie jemand ein Buch drüber geschrieben hat. Ich bin da dann auch hingefahren und hab mir diese Überreste angeguckt von der Gedenkstätte Buchenwald – da gehen auch viele Schulklassen hin, schauen sich das an, um mal so einen Eindruck zu kriegen, wie das damals war und wie das aussah. Ich habe, während ich mich damit beschäftigt habe, dann auch viele andere Sachen, viele Bilder gesehen, zum Beispiel auch tatsächlich ein Bild von einem Sohn von einem SS-... von den Soldaten, die da gewohnt haben – der mit einem Gewehr auf dem Foto zu sehen war. Ein Junge vielleicht so alt wie ihr. So kam dann eine Idee zur nächsten – es war ein bisschen schwierig mit dem Schreiben, das hat 9 Monate gedauert. Was aber auch daran lag, dass ich ganz verschiedene Anfänge hatte, also ich wusste erst überhaupt nicht: Wie soll ich da anfangen? Soll ich das mit Tieren machen? Soll ich das mit Menschen machen? Am Ende war’s dann halt so eine Mischform, weil ich dachte, wenn es schon in einem Zoo spielt, sollten auch Tiere vorkommen. So hat sich die Geschichte langsam entwickelt.
Vieles davon ist natürlich ausgedacht, die Tiere gab’s tatsächlich, die da waren, aber ich weiß nicht, ob die so miteinander geredet haben.

 

Haben Sie schon viel geschrieben?
JR:
Theaterstücke habe ich schon viele geschrieben.

Aus der Jugend-Jury: Warum wurde die Szene am Ende, in der die Vögel zurück kommen, weggelassen?
RA:
Wir mussten kürzen, damit wir auf eine Stunde Spielzeit kommen, da wir auch in Osnabrück immer 2 Vorstellungen am Tag haben.
Und wir wollten aber auch das Stück ein bisschen offener enden lassen, dass es nicht so klar ist, dass am Ende alle durch das Bombardement sterben. Damit man vielleicht auch mit einer Hoffnung da raus gehen kann. Deswegen haben wir uns entschieden die Vögel – oder das Bombardement-Ende – rauszulassen.
Wie findest du das denn Jens?
JR: Also ihr habt das Stück ja nicht alle gelesen – am Ende gibt es eigentlich eine Szene, in der, bis darauf dass der Pavian & der Bär weg sind, wieder alles normal ist. Der Himmel ist wieder ganz blau, weil ja der Schornstein kaputt ist. Die Tiere hören ein Geräusch und dann sehen sie, wie aus der Ferne etwas herfliegt. Sie denken es seien die Vögel, die wieder zurück kommen – das war übrigens tatsächlich so! Ihr müsst euch vorstellen, da ist ein riesiges Waldgebiet, deswegen ja auch Buchenwald, und dort gab es aber tatsächlich nach einer gewissen Zeit keine Vögel mehr. Stellt euch vor es ist Sommer, ihr lauft durch den Wald und da sind keine Vögel – ab dem Moment, wo der Schornstein stand.
Letztendlich stellt sich dann aber heraus, dass es nicht die Vögel sind, die zurück kommen, sondern es sind Bomber, die Bomben auf den Zoo werfen.
Ich kann mit dieser Änderung durchaus leben. Ich finde wenn man ein Theaterstück schreibt, dann will man ja auch, dass sich Leute darüber Gedanken machen, was sie da aufführen. Ich respektiere das total, wenn jemand sagt: ‚Wir wollen das offen lassen!’ oder ‚Das und das brauchen wir nicht!’, dafür ist ein Stück da, ich schreibe ja kein Buch, wo man dann Seiten rausreißen müsste. Also insofern kein Problem.

LH: Was war denn für die Spieler*innen die größte Herausforderung?
TH: Dieser schmale Grat, dass man nicht so in eine Betroffenheit absuppt und alles die ganze Zeit schlimm ist, aber dass man trotzdem dem Stoff ernst nimmt, es nicht zu lustig wird und zu viele Gags erarbeitet. Dass man schaut, dass die Mischung wirkt.
ML: Ja genau, trotz dieser Schwere des Themas einfach auch die Leichtigkeit zu behalten. Wirklich auch bei sich selber zu bleiben und auch innerhalb dieser Tiere.
Das war am Anfang auch echt ein bisschen tricky mit den Tieren. Also die Frage wie wir das machen. Aber irgendwann in den Proben ging das auch in den Körper und dann war das total schön und hat Spaß gemacht. Sich dann so zu bewegen und das wurde dann irgendwann auch zu Meinem. Ich musste mich da aber am Anfang echt dran gewöhnen, weil ich noch nie ein Tier gespielt habe.
ASG: Das zu einem Ganzen zu machen. Das ist sehr stark ein Stück in dem man nur miteinander kann. Das ist aber auch das Plus dieses Stückes. Aber man muss halt die ganze Zeit beisammen sein und gemeinsam eine Energie finden.

Wie schafft ihr das, zum Beispiel bei den Tieren, in der Rolle zu bleiben?
ASG:
Es sind eben diese Wechsel, die schwierig waren. Dass man es beim Reinschlüpfen schafft , das ist ja bei jeder Person noch mal unterschiedlich, gemeinsam zur Geschichte zu wollen und das mit einer Ruhe. Als Spieler*in sollte man immer eine gewisse Ruhe beibehalten und auch Freude daran haben.
TH: Das ist ja auch genau das, was wir machen, das ist woran wir 6 Wochen arbeiten.
Deswegen beschäftigen wir uns diese 6 Wochen nicht nur damit den Text drauf zu haben, sondern eben auch diese Sachen auszuloten: Was braucht’s? Wie wenig/viel braucht’s? Wie kriegen wir das gut hin? Das ist ja dann im Prinzip Übung.

War es schwer den Akzent zu wechseln?
TH: Ja und Nein. Meistens ist es das nicht, manchmal, wenn ich nicht ganz ausgeschlafen bin, verschleppe ich den Bär gerne in den Erzähler mit rein.

Ist das euer Job, oder macht ihr auch was anderes?
ML:
Wir machen das hauptberuflich.
TH: Das reicht.

LH: Vielleicht könntet ihr zum Abschluss, vielleicht ihr Maria und Ramin, kurz mal sagen: Was findet ihr so wichtig an dem Stück, um das heute zu spielen?
RA: Ich weiß gar nicht wie viel Vorwissen ihr mitbringt oder wie unvoreingenommen ihr da draufguckt. Ich finde das ist ein total toller Umgang mit diesem Thema, was ja auch heute noch wichtig ist. Und wenn’s nur darum geht, ob man, wenn irgendwo was Unrechtes passiert, hinguckt oder ob man wegguckt.
Aber auch speziell nochmal auf die Zeit bezogen, dass man dieses Thema eigentlich sehr spielerisch und mit einem fremden oder auch vielleicht sogar kindlichen Blick an euch ranträgt, ob ihr wollt oder nicht.
Aber wie gesagt es ist ein Stück über Zivilcourage: Wie verhalte ich mich, wenn ich mitkriege um mich herum passieren grade Dinge, die ich so nicht in Ordnung finde?. Und das ist ja immer Thema. Und vielleicht für euch in Zukunft auch ein größeres Thema, als es noch vielleicht vor 20 Jahren war. Also, dass ihr wachsam bleibt und seht was in der Gesellschaft oder in der Welt um euch herum passiert.
MS: Ich glaube besser kann man es kaum sagen, genau solche Gespräche und Diskussionen hatten wir auch, als wir überlegt haben: Wir machen dieses Stück und kein anderes. Wir können für dieses Format mit den drei Spieler*innen drei Stücke pro Spielzeit am Theater Osnabrück machen und es gibt so viele Ideen und Stücke und Stoffe zur Auswahl und es war bei diesem Stück sehr schnell ganz klar für uns: Wir wollen das machen! Wir haben uns auch mittlerweile entschieden das Stück nächste Spielzeit auch noch weiter zu spielen, weil es einfach wichtig ist, dass viele Kinder und Jugendliche damit in Berührung kommen.