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Zucken unter flackender Lampe


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Nein, Thirza Brunckens Interpretation von Wolfram Hölls „Drei sind wir“ hat nicht funktioniert. Die am Schauspiel Leipzig uraufgeführte Inszenierung verlor den Ursprungstext zu sehr aus dem Blick. Dabei erschien der Ansatz zu Beginn noch interessant. Dass dem Zuschauer hier kein reines Erzähltheater, keine bloße Wiedergabe einer konventionell-rührseligen Familientragödie um ein Elternpaar mit todkrankem Kind geboten werden soll, ist schnell klar. Stattdessen bietet sich dem Betrachter ein artifizielles Setting dar: zwei Frauen, zwei Männer, scheinbar willkürlich positioniert in einem beengend wirkenden Raum – kahle Wände, niedrige Decke. Ihre Körper sind unnatürlich angespannt und in einer unablässig kreisenden Wiegebewegung gefangen. Dabei rezitieren die Schauspieler – begleitet von einem untergründig brummenden Störgeräusch – den Anfang von Wolfram Hölls Textvorlage. Darin wird die schwere Behinderung des Kindes erkannt und die Eltern formulieren den Wunsch, gemeinsam nach Kanada auszuwandern.

Bewegung wie im David Lynch-Film

Die Inszenierung sucht einen unerwarteten Zugang zum Stück, lässt damit den Zuschauer im Verlauf des kurzen Abends jedoch zunehmend enttäuscht zurück. Wirkt die Kombination von Hölls ebenfalls artifiziellem, sprachspielerischem Text mit dem irritierenden und beunruhigenden Bühnengeschehen anfangs noch wie der legitime Versuch, innere Befangenheits- und Verzweiflungszustände der betroffenen Familienmitglieder darzustellen, lässt die Inszenierung den Text allzu schnell in den Hintergrund rücken und verliert sich in dem Bemühen, ein expressives Element an das andere zu reihen. In ruhigeren Momenten bewegen sie sich durch den Raum wie in einem David Lynch-Film: Konvulsivische Bewegungsandeutungen beherrschen das Spiel, Sebastian Tessenow stemmt sich mit dem Kopf gegen die Wand und windet sich an ihr entlang. In wilden Momenten werfen sich die vier Schauspieler schreiend und tobend gegen die Wände, Bettina Schmidt zuckt zuweilen wie besessen unter flackernder Lampe. Der Text wird dabei immer häufiger überschrien oder übertönt.

Die Inszenierung gerät so zur kaleidoskopischen Darbietung aller erdenklichen Mittel, mit denen man eine albtraumhaften und verzweifelte Atmosphäre erzeugen kann. Allein, sie greifen nicht, da sie zu durchschaubar sind. Durchweg merkt man den eingesetzten Mitteln an, dass sie Beklemmung erwirken sollen. Statt emotionale Intensität zu erzeugen, zeigt die Inszenierung nur ihr eigenes, überdeutliches Ringen um Bedeutung. Das liegt allerdings weniger an den Schauspielern als an der Tatsache, dass der Inszenierung als solcher die Rahmung fehlt.

Verzweiflungstamtam und 80er-Jahre-Popsongs

Den nüchtern gehaltenen Text von Höll als psychotisch-introspektiven Leidensweg der Eltern zu inszenieren ist möglich, jedoch wird der Inhalt dabei – vermeintlich zugunsten der Emotionsebene – derart vernachlässigt, dass man nach und nach den Bezug zum eigentlichen Thema verliert. Die dargestellten Gefühlszustände lassen sich nicht mehr mit der Ausgangssituation, der Erkenntnis über das baldige Sterben des Neugeborenen, in Verbindung bringen. Wenn die Schauspieler neben all dem Verzweiflungstamtam noch 80er-Jahre-Popsongs performen und zum Abschluss ein Film über die Ureinwohner Kanadas auf die Bühne projiziert wird, erscheint die Inszenierung endgültig wie ein Sammelsurium beliebig zusammengewürfelter Elemente. Erzählen ist dabei offensichtlich nicht das Ziel. Lediglich Assoziationsketten aufrufen oder Gefühle des Unbehagens erzeugen zu wollen, sollte jedoch als Anspruch nicht ausreichen.

Das Publikum hat die Inszenierung trotz einiger Verwirrung erstaunlich gut aufgenommen. Im Publikumsgespräch äußerte sich das affirmative Bedürfnis, das Dargebotene zu verstehen. Dass Wolfram Hölls Text dem psychotischen Spektakel weniger als Ausgangspunkt denn als Vorwand gedient hat, stieß einigen dann aber doch unangenehm auf.