Die seltsame und unglaubliche Geschichte des Telemachos

Das Abenteuer der Selbstfindung

Telemachos, der Sohn des Odysseus, ist eine bereits in der griechischen Mythologie vernachlässigte Gestalt. In einem Monolog von Felix Esslin, Galia De Backer und Ninon Perez bekommt er nun eine eigene Stimme und wird zeitgemäß weiterentwickelt. Ein zurückgelassener Sohn, der dem mythischen Helden die Nichtexistenz als Vater bescheinigt. Telemachos steht vor seinen Mitschülern und muss ein Referat über Garnelen halten. Dabei taucht er immer wieder in die Geschichte seines abwesenden Vaters Odysseus ein. Spielerisch verwandelt er das Klassenzimmer in eine Bühne, auf der er nicht nur Odysseus Abenteuer erkundet, sondern diese auch mit all seiner kindlichen Neugier befragt. Mit entlarvendem Blick schaut dieses Kind auf die Sinnlosigkeit und Absurdität eines um sich selbst kreisenden zwanghaften Helden-Sein-Wollens. 

Es ist ebenso Telemachos eigene Geschichte, die er uns auf diese Weise erzählt: eine Kindheit in einem riesigen leeren Palast mit einer im Wartezustand erstarrten Mutter, die unentwegt schwermütig vor sich hin webt oder ihre aufdringlichen Freier abwehrt. Es handelt sich um ein Erzähltheater der Selbstfindung. Telemachos lotet seine ambivalente Beziehung zu einem Vater aus, der abwesend ist und zugleich omnipräsent, fremd und allen bekannt. Ein leichtfüßig und fein komponierter Text, der seine Motive klug verknüpft. Ein vielschichtiges, genaues Figuren-Psychogramm eines vernachlässigten Kindes, das sich ein Bild macht von einem Mann, über den wir aus der Mythologie tausend Dinge wissen, der aber als Vater nicht mehr ist als ein leeres Blatt.

Theresia Walser