Du (Normen)

Foto: Hans Jörg Michel
Nationaltheater Mannheim

1 Stunde 50 Minuten

 

 

Stücke 2014


Philipp Löhle, schon seit Genannt Gospodin ein zuverlässiger Kandidat für dramatische Kapitalismuskritik, hat in seinem neuen Stück erstmals die Seiten gewechselt. Waren seine Helden sonst spleenige Verweigerer und Don Quichottes, die ihr schräges Ding gegen alle Windmühlen des gesunden Menschenverstands verteidigen, hat er jetzt das Funktionieren zum Prinzip gemacht. Der nette Normen ist ein guter Kumpel, zuvorkommend gleichgültiger Ehemann und auch sonst eher von herzlicher, latent fauler Durchschnittlichkeit. Allerdings ist er mit dem untrüglichen Instinkt ausgestattet, Bretter an ihrer dünnsten Stelle erfolgreich zu durchbohren. In der Sprache der Wirtschaftstheorie handelt es sich bei Normen, der sich Publikum und Mitmenschen meist mit einem unkomplizierten „Du“ nähert, um den Prototyp eines sogenannten Nutzenmaximierers. An dieser Spezies lässt sich einwandfrei nachvollziehen, wie der Mensch handelt, wenn er im eigenen Interesse vernünftig handelt.
Sven Prietz als „Du“ kann mit jedem und will nichts weiter, als mit kleinstem Aufwand das ökonomisch Beste herauszuholen. Man mag ihn dabei für leicht beschränkt halten oder für ziemlich fokussiert; vor dem Maßstab des Kontostands verschwimmen die beiden Perspektiven in vielen milchigen Nullen. Sechs Schauspieler:innen versorgen nicht nur 20 Personen am Lebenswegrand, sondern verteilen sich auch auf den allgegenwärtigen Autorkommentar, der das Publikum herzlich umarmt: ein beängstigend netter Figurenpark aus dem Wohlstandsspeckgürtel der flächendeckenden Provinz.
Franz Wille

 

Uraufführung: 
1.6.2013

 

Mit: Sabine Fürst, Anke Schubert, Dascha Trautwein, Thorsten Danner, Reinhard Mahlberg, Sven Prietz, Klaus Rodewald

Regie: Katrin Lindner
Bühne: Tobias Schunck
Kostüme: Birgitta Weiss
Dramaturgie: Tilman Neuffer

 

 

Philipp Löhle über Du (Normen):

Warum schlafen böse Menschen gut?

http://www.youtube.com/watch?v=9WOkrVSYunM

Alle Videos von Max Büch und Alexander Viktorin

 

Stückabdruck: 
Theater heute, Heft 8-9/2013