ehem. Ausbildungszentrum, bestehend aus einem Schulungs- und Verwaltungsgebäude mit Treppenturm, Werkstatthalle, Sozialgebäude und Transformatorenhaus der PhoenixRheinrohr AG

Laufende Nummer: 
709
Eintragung: 
29. Juni 2021
Denkmalart: 
Baudenkmal
Klassifikation: 
cultural
Straße, Hausnummer: 
Sandstr. 130 (früher Wiesenstr. 36)
Kurzcharakteristik und Würdigung: 

Das ehem. Ausbildungszentrum der Phoenix Rheinrohr AG befindet sich im Mülheimer Stadtteil Eppinghofen, nordwestlich der Mülheimer Innenstadt in unmittelbarer Nähe zur Bahnstrecke Essen-Duisburg. Im Norden des Ausbildungszentrums schließt das Mülheimer Röhrenwerk der ehem. Phoenix Rheinrohr AG mit umfangreichem Baubestand an. Teile des Baubestands wurden seitens des LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland bereits als denkmalwert erkannt: die ehem. Verwaltungsgebäude der Maschinenfabrik Thyssen & Co. GmbH (Wiesenstraße 35 und 36, Bauzeit 1922-1924) sind rechtskräftig als Baudenkmäler gemäß § 3 DSchG NRW in die Denkmalliste der Stadt Mülheim an der Ruhr eingetragen.

Das Ausbildungszentrum ist an exponierter Lage am Kreuzungspunkt der Wiesen- und Sandstraße am südlichen Rand des Werksgeländes errichtet worden. Es hebt sich durch seine moderne Architektursprache von den überwiegend historischen, zur Wiesenstraße hin ausgerichteten Werks- und Verwaltungsgebäuden deutlich ab. Das städtebauliche Umfeld ist insgesamt als heterogen einzustufen.

Schutzumfang

Im denkmalwerten Schutzumfang sind das Äußere und Innere des ehem. Ausbildungszentrums in historischer Substanz, Konstruktion und Erscheinungsbild enthalten. Das Ausbildungszentrum umfasst das Schulungs- und Verwaltungsgebäude im Südosten, den hieran westlich anschließenden Treppenturm, die westlich anschließende Werkstatthalle nebst Verbindungsgang zum nördlich liegenden Sozialgebäude, das Sozialgebäude selbst sowie das nördlich an das Schulungs- und Verwaltungsgebäude anschließende Transformatorenhaus. Erhaltenswert sind aus denkmalfachlicher Sicht überdies die Freiflächen im Norden und Nordosten, die zum einen im Bereich des Sozialgebäudes als Pausenhof für die Auszubildenden dienten und zum anderen im Nordosten intendierte Blickachsen durch die großzügig verglasten, beinahe transparenten Gebäude hindurch ermöglichen.

Bei dem Schulungs- und Verwaltungsgebäude handelt es sich konstruktiv um einen Stahlbetonbau mit Betonrahmenkonstruktion und Flachdach. Die Wandflächen sind verklinkert. Auf das großzügig durchfensterte Sockelgeschoss folgt zunächst eine durch einen mosaizierten Rücksprung geschaffene Schattenfuge. Der Bereich der Schattenfuge dient im Inneren gemäß Bauantragszeichnung als Montageboden und zur Unterbringung eines Ventilators für den Vortragssaal, der durch eine leichte Betonzwischendecke und eine Schalldecke aus Gipsplatten kaschiert wurde. Auf die Schattenfuge folgt ein dreigeschossiger Kubus über rechteckigem Grundriss, dessen Schmalseiten vier Achsen und die Langseiten 22 Achsen zählen. Die Stahlbetonrahmenkonstruktion tritt durch die farbliche Absetzung (weiß gestrichen) deutlich in Erscheinung. Die Konstruktionsweise wurde demnach in zeittypischer Manier sichtbar gemacht. Während es sich bei den Fenstern des Erdgeschosses um die bauzeitlichen Fensteranlagen, teilweise mit eloxierten Messingrahmen und Zick-Zack-förmiger Anordnung der Glasscheiben (im Bereich des Foyers) handelt, wurden die Fenster des Obergeschosses durch Kunststofffenster und die filigranen Stahlrahmenfenster durch Aluminiumelemente ersetzt, was zu einer Beeinträchtigung des historischen Erscheinungsbildes führte. Allerdings orientierte man sich bei den 1985 durchgeführten Maßnahmen an der ursprünglichen Fassadengliederung und den konstruktiv bedingten Vorgaben.

Das nach Norden hin verlängerte Erdgeschoss bildet die seitliche Begrenzung des dahinterliegenden Foyers des Vortrags- und Kinosaals, das nach Norden hin in Gänze mit Zick-Zack-förmig angeordneten, rahmenlosen, bauzeitlichen Fenstern belichtet wird. An das Foyer schließt ein eingeschossiger, transparenter Verbindungsgang an, der nach Osten und Westen hin verglast ist, eine Blickbeziehung von der Wiesenstraße bis zum Sozialgebäude herstellt und mit bauzeitlichen Türanlagen versehen ist. Dieser Baukörper diente vermutlich bei Veranstaltungen im Vortragssaal bzw. Foyer als separater Eingang. Rechtwinklig an diesen Verbindungsgang schließt das zweigeschossige, verklinkerte Transformatorenhaus an, das der elektrischen Versorgung des Ausbildungszentrums diente.

Im Inneren des Schulungs- und Verwaltungsgebäudes haben sich zahlreiche bauzeitliche Ausstattungselemente von bemerkenswerter Qualität erhalten. Hierzu zählen unter anderem

der ehem. Kino- bzw. Vortragssaal im Erdgeschoss mit umfänglich erhaltener bauzeitlicher Ausstattung:

Fußboden (dunkle Linoleumplatten),
Wand- und Deckengestaltung,
Kinositze,
Holzjalousien,
Leinwandbereich,
Vorführraum mit historischer Ausstattung

das Foyer mit:

Fußboden (rote Linoleumplatten, teilweise mit dunklen Einsätzen)
Wand- und Deckengestaltung, wie die kannelierte Holzvertäfelung,
zickzack-förmige, rahmenlose Fensteranlage mit Blumenfenster,
Rundstützen,
Türanlagen mitsamt Beschlägen,
Deckenleuchten,
Glastüranlage mit gerundeten Glasscheiben zur Garderobe,
die Garderobe mit gerundeter Theke (analog zur Wandvertäfelung kanneliert) und Mobiliar
Wand- und Fußbodenbeläge.

Aufgrund der separaten Zugänglichkeit des Veranstaltungssaals und des Foyers nebst Garderobe ist davon auszugehen, dass diese repräsentativ gestalteten Räumlichkeiten auch bei Festveranstaltungen (etwa anlässlich der Lehrabschlussfeier, der Begrüßung neuer Lehrlinge, etc.) genutzt wurden, was sicherlich ein Aspekt für die aufwändige und kostenintensive Gestaltung war. In den oberen Geschossen sind neben der kannelierten Verkleidung des Personenaufzugs vereinzelt bauzeitliche Türen mitsamt Beschlägen und wandfeste Einbauschränke in den Flurbereichen erhalten. Überdies datieren die Treppenläufe vom Vortragssaal ins südliche Eingangsfoyer aus Beton mit grünen Kunststeinstufenbelag und Geländer sowie der Treppenaufgang vom Erdgeschoss-Foyer in den Treppenturm in die Bauzeit. Die Innenwände sind in diesem Bereich verklinkert. Der Fußboden des nördlichen Verbindungsgangs ist mit kleinteiligen Mosaikfliesen belegt.

An das Schulungs- und Verwaltungsgebäude schließt ein großzügig durchfensterter, beinahe transparenter Treppenturm mit bauzeitlicher Stahlrahmenkonstruktion, Einfachverglasung und verklinkerten Wandflächen an. Im Inneren ist die skulptural frei eingestellte Betontreppe mit bauzeitlichen Oberflächen und Geländer erhalten.

Im Südwesten schließt die 1.200 qm große Werkstatthalle an das Verwaltungsgebäude an. Hierbei handelt es sich um eine stützenlose Halle mit Betonrahmensystem, das die Dachhaut der flach schließenden Halle trägt. Die Seiten werden durch große Drahtglasfensterflächen belichtet. Auf der Südseite ist dem eingeschossigen Baukörper ein Sonnenschutzsystem aus Metall vorgelagert, das später montiert wurde (nicht im denkmalwerten Schutzumfang enthalten). In der Werkstatthalle sind Reste der technischen Ausstattung (Schaltschränke und DEMAG-Kranbahn) sowie Lüftungselemente aus der Bauzeit erhalten. Auf der nördlichen Langseite sind mehrere abgeschlossene Werkstattbereiche angegliedert. Anhand der erhaltenen Ausbilderlogen an der östlichen Schmalseite, die baulich mit dem Verwaltungsgebäude verbunden sind, lässt sich recht anschaulich nachvollziehen wie die Funktionsabläufe im Ausbildungsbetrieb organisiert waren.

An die Werkstatthalle schließt im Norden ein dreigeschossiges Sozialgebäude an, das über einen Verbindungsgang mit demselben verbunden ist. Das Sozialgebäude gleicht konstruktiv dem Verwaltungsgebäude, die Langseiten sind nachträglich mit Polycarbonat-Stegplatten verkleidet. Die Schmalseiten sind in Gänze verklinkert. Auf der Nordseite ist ein verklinkerter Kaminzug über rechteckigem Grundriss vorhanden. Die Langseiten des Erdgeschosses sind großzügig durchfenstert. Hier haben sich die bauzeitlichen Fenster- und Türanlagen erhalten. Im Erdgeschoss, das ursprünglich als Frühstückshalle diente, sind die historischen Oberflächen, die bauzeitliche Treppe (bis in die oberen Geschosse), die in ihrer farblichen Gestaltung der des Verwaltungsgebäudes entspricht, sowie die bauzeitliche Milchausgabe erhalten. Im Keller, der über eine bauzeitliche Treppe zu erreichen ist, befindet sich die umfangreiche Haustechnik des Gesamtkomplexes. In den oberen Geschossen ist die Grundrissstruktur der Umkleide- und Sanitärräume mit den seitlich verlaufenden, durchgehenden Waschbecken erhalten. Die Spinde scheinen bauzeitlich zu sein (mindestens die gemauerten Sockelbereiche und hierüber die innere Struktur der Umkleiden; diese entsprechen auch der Bauantragsplanung). Die Duschen und Sanitärbereiche wurden über die Jahre hinweg erneuert.

Veränderungen

1985 wurden die oberen Geschosse des Schulungs- und Verwaltungsgebäudes durch eine Aluminium-Konstruktion verkleidet und um 2008 neue Kunststofffenster eingebaut. In Zuge dessen wurden die ursprünglich vorspringenden Fensterlaibungen auf den Giebelseiten zurückgebaut. Um 2010 wurde die Türanlage am südlichen Eingang erneuert (vermutlich aus Brandschutzgründen). Im Inneren wurden in den oberen Geschossen nutzungsbedingte Modernisierungsmaßnahmen durchgeführt (u.a. Erneuerung der Fußbodenbeläge, teilweise Austausch von Zimmertüren, Modernisierung der Installationen). Die Umgestaltung der Fassade hat zu einer Verun- klärung der zur Bauzeit noch besser ablesbaren architektonischen Orientierung an der funktionalen Moderne geführt. Gleichwohl sind die Konstruktion und das Erdgeschoss sowie die zwischen Erd- und Obergeschoss trennende Schattenfuge unverändert erhalten, sodass die gestalterische Absicht und die architektonische Grundhaltung weiterhin erlebbar und nachvollziehbar sind.

Der Treppenturm ist im bauzeitlichen Erhaltungszustand überliefert.

Bei der Werkstatthalle wurde auf der südlichen Langseite zu einem unbekannten Zeitpunkt ein Sonnenschutzsystem vor der Außenwand als eigenständige Konstruktion montiert, das folglich reversibel wäre, weshalb es keinen gravierenden Eingriff in die denkmalwerte Substanz darstellt. Die westliche Schmalseite wurde überdies mit einer Blechverkleidung verschalt. Die gesamte technische bzw. maschinelle Einrichtung der Werkstatthalle wurde bis auf eine Kranbahn und Schaltschränke entfernt. In den 2000er Jahren wurde das Traggerüst hell gestrichen. Die Konstruktion ist indes bauzeitlich überliefert, so auch die Fensteranlagen und der Fußbodenbelag.

Das Sozialgebäude erhielt in den 1980er Jahren in den oberen beiden Geschossen eine Polycarbonat-Stegplattenverkleidung. Die Duschräume wurden modernisiert. Auch beim Sozialgebäude sind die Fassadenveränderungen als umfangreicher Eingriff in das Erscheinungsbild einzustufen. Das Erdgeschoss, das den Obergeschossen als schmalerer Sockel dient und durch eine Schattenfuge von diesen optisch getrennt wird, die Giebelseiten, die bauzeitliche Konstruktion und ein Großteil der wertgebenden Innenausstattung sind hingegen erhalten, sodass die Fassadeneingriffe nicht als so erheblich bewertet werden, als dass der Denkmalwert hierdurch entfallen würde. 

Insgesamt befindet sich das Ausbildungszentrum in einem weitgehend authentischen Erhaltungszustand und erfüllt damit die substantiellen Tatbestandsvoraussetzungen für ein Baudenkmal gemäß § 2 DSchG NRW.

Grün- und Freiflächen

Bei den Grün- und Freiflächen, die die baulichen Anlagen des Ausbildungszentrums umgeben, handelt es sich überwiegend um versiegelte und asphaltierte Flächen, bei denen keine intendierte Gestaltung zu erkennen ist. Funktional sind die Rasenflächen vor dem Sozialgebäude erwähnenswert, da sie den Auszubildenden in ihren Pausen als Aufenthaltsbereich zur Verfügung standen. Die Grün- und Freiflächen vor dem Verwaltungs- und Schulungsgebäude ermöglichen Blick- und Sichtbezüge auf das Ensemble, sie erfüllen jedoch aufgrund ihrer unterdurchschnittlichen Qualität nicht die Tatbestandsvoraussetzungen für ein Baudenkmal gemäß § 2 DSchG NRW und sind folgerichtig nicht im denkmalwerten Schutzumfang enthalten.

Unterschutzstellungsdokument: 
INSPIRE: 
DE_05117000_A_DL-0709