Eisenbahnausbesserungswerk Speldorf

Laufende Nummer: 
664
Eintragung: 
11. Juli 2014
Denkmalart: 
Baudenkmal
Klassifikation: 
cultural
Straße, Hausnummer: 
Duisburger Str.
Kurzcharakteristik und Würdigung: 

Das Werksgelände erstreckt sich zwischen der ehemaligen Landstraße Broich - Duisburg und der Eisenbahntrasse Wedau - Speldorf - Eppinghofen. Das ursprünglich sanft abfallende Gelände musste egalisiert werden. Das abgetragene Erdreich wurde für den Bahndamm der 1874 in Duisburg-Hochfeld errichteten Rheinbrücke verwendet. Unmittelbar neben dem Werkseingang an der Duisburger Straße liegen das Verwaltungsgebäude und dahinter die Dienstvilla des Werksdirektors. Die 1914-18 errichtete neue Lokrichthalle erhebt sich dominant parallel zur Straße. Orthogonal darauf bezogen ist die zeitgleich erbaute Kesselschmiede. Beide Hallen waren mit einer Schiebebühne verbunden. Zwischen beiden Hallen liegt das Kraftwerk. Nach Abbruch der Schmiede liegt die Dreherei heute etwas separiert von dieser Baugruppe des frühen 20. Jahrhunderts. Von der direkt an die Dreherei rechtwinklig anschließenden alten Lokreparatur sind nur wenige Reste erhalten. Auf dem Gelände des Ausbesserungswerks Speldorf werden folgende Gebäude als denkmalwert eingestuft: Alte Lokrichthalle, 1874 / 19O3-O4 Die 1874 erbaute Halle stammt aus der Gründungszeit des Ausbesserungswerks, wurde vor 1894 erweitert und 1903/04 aufgestockt. Die in der Grundfläche ehemals 137,5 x 50 Meter große dreischiffige Halle wurde überwiegend abgebrochen. Erhalten blieb die östliche Giebelwand, ein schmaler Rest der Traufwände und jeweils ein Stahlbinder in den drei Hallenschiffen. In den Wänden steckt in den unteren Partien noch Substanz von 1874. Die oberen Partien, wie auch die Stahlkonstruktion gehören zur Aufstockung von 1903/04. Alte Dreherei, 1874 / 1909 Dreischiffige Halle mit ursprünglich 70, seit der Erweiterung von 1909 90 Metern Länge. Das Mittelschiff überragt leicht die beiden Seitenschiffe. Die Backsteinaußenwände sind durchbrochen mit hohen rundbogigen Öffnungen zwischen Wandvortagen für kleinteilige, gusseiserne Fenster. Die Giebel nach Süden und Norden sind jeweils axial gegliedert mit großen Toren in den Mittelgiebeln. Die Giebelfronten sind durch treppenförmige Gesimse über den zurückliegenden Wandfeldern sowie treppenartige Aufsätze über den Mittelachsen betont. Im Mittelgiebel befinden sich im Giebeldreieck dreifach-gekuppelte rundbogige Blendnischen. Die Südfassade wurde nachträglich verputzt, die Nordfassade 2012 gereinigt und neu verfugt. Die Innenkonstruktion besteht aus gusseisernen Stützen und Dachbindern aus Holz. An den Stützen sind teilweise die Vorrichtungen zur Aufnahme der Transmissionswellen erhalten. Die Hallenerweiterung von 1909 ist mit Stahlfachwerkstützen und genieteten Dachbindern ausgeführt. Dieser Hallenteil wurde 2011/12 mit einer von den Außenwänden abgerückten Innendecke versehen und mittels Brandwand vom Ursprungsteil der Halle getrennt. Neue Lokrichthalle, 1914-18 Stahlfachwerkhalle mit einer Länge von 254 Meter. Entlang der nördlichen Traufseite wird die Halle begleitet von einem kombinierten Stockwerks- und Hallenflügel. Die Halle wurde von der Firma Harkort/Duisburg und Jäger/Demag errichtet. Die Halle wird an den Giebelseiten durch große Fensterflächen in den Giebeldreiecken sowie an der nördlichen Traufseite durch fast gebäudehohe und über die ganze Gebäudelänge sich erstreckende Fensterflächen belichtet. Die Fensterflächen sind zwischen den Ständern und Riegeln des Stahlfachwerks durch schmale Walzprofile für die Sprossen in hochrechteckige Scheibenformate unterteilt. In der östlichen Giebelwand führen zwei breite Toröffnungen in die Halle, während im Westen sich die Halle durch sechs kleinere Tore öffnet. Die Halle wird überspannt durch Rahmenbinder in Kastenbauweise mit Mittelstützen (dreistielige Rahmenkonstruktion). Die kastenförmigen Tragelemente sind offen ausgebildet mit zum Halleninneren auf Abstand gestellten und durch Laschen verbundenen Vollwandprofilen für die Stützen und Fachwerkkästen für die Dachbinder. Mittel- und Wandstützen sind der statischen Beanspruchung entsprechend an den Fußpunkten geringer dimensioniert mit zum Dach hin stetig breiter werdender Profilstärke um dann mit gerundeten Ecken in die Dachbinder überzugehen. Die Dachbinder sind in Längsrichtung der Halle untereinander durch Parallelfachwerke so verbunden, dass ein gitterförmiges Tragwerksnetz das mit querliegenden Belichtungsraupen versehene Dach unterstützt. An der Längswand zum Begleitflügel befinden sich fischbauchträgerartige Längskonstruktionen zur Queraussteifung. Die Halle bot auf drei Gleisen je Schiff 90 Stände. Das Südschiff wurde genutzt zur Ausbesserung von Lokomotiven L0 und L2, das nördliche Schiff für Untersuchungslokomotiven L3 und L4. Die Arbeitsstände wurden im Fließverfahren von Ost nach West besetzt. An den Mittel- und Seitenstützen sind Kranbahnen montiert. Über den Kranbahnen sind in den Mittelstützen ovale Öffnungen eingelassen. Die Halle war ausgerüstet mit je zwei 50 t Krane in jedem Schiff. Darunter waren Konsolkrane mit 5 t Hub montiert. Auch der nördlich der Halle angegliederte Begleitflügel ist durch großflächige Fensterfelder belichtet. Im Zentrum dieses, 16 Meter tiefen Begleitbaus befindet sich ein zweigeschossiger Werkstatttrakt, ursprünglich für die Mechanische Werkstatt und einem Teil der Zubringerbetriebe. Im Erdgeschoss standen hier schwere Werkzeugmaschinen. Untergebracht waren hier Radsatzwerkstatt mit Achslagergruppe, Stangenwerkstatt mit Kolben-, Schieber- und Kreuzkopfgruppe. Im Obergeschoss waren Werkstätten für Luft- und Speisepumpen, Armaturen, Lastverteilung, Bremsen und Steuerung untergebracht. Von den ehemals hier vorhandenen zwei Laufkränen ist ein Doppelbrückenkran mit holzverschaltem, untergehängten Führerstand und Laufkatze erhalten. Luken in der Zwischendecke ermöglichten den Transport von Werkstücken per Kran zwischen den Geschossen. An beiden Ecken ist der Begleitflügel viergeschossig ausgebildet für Büros, Sozialräume und Treppenhäuser. Vor den Schmalseiten der Halle gab es Schiebebühnen. Die Schiebebühne Ost hatte 14 Meter und 150 t Tragkraft und diente zur Verbindung mit der Kesselschmiede und zu den Hofgleisen. Die Schiebebühne West war 20 Meter tief mit einer Tragkraft von 120 t und vermittelte den Anschluss zum Anheizschuppen. Die Lokrichthalle wird seit 1959 als Straßenbahn- und Busdepot genutzt. Die Mechanische Werkstatt dient im Erdgeschoß zur Reparatur von Fahrzeugen. Hier wurde 2010 ein eingeschossiger, mit Trapezblechen verkleideter Anbau hinzugefügt. Kesselschmiede, bis 1915 Die Kesselschmiede ist eine dreischiffige Haupthalle mit einer Grundfläche von 90 x 57 Meter und Begleitflügel. Die drei Schiffe der Haupthalle haben Spannweiten von je 15 Meter und sind aufgebaut nach dem Prinzip Balken auf zwei Stützen. Die Stützen sind als kastenförmiges Stahlfachwerk konstruiert, die Dachbinder bestehen aus Streben- und Ständerfachwerk. Die Seitenstäbe sind schräg ausgebildet, im Firstbereich befinden sich satteldachförmige Belichtungsraupen. In der Fassadenausbildung wechseln große Fensterflächen mit einem größeren Anteil von Feldern mit Ziegelausfachungen. Die die Giebel der Hallenschmalseite sind durch imposante korbbogige Fensterflächen gekennzeichnet. Die Kessel durchliefen im Fließgang zwei Schiffe. Bei schweren Arbeiten auch drei Schiffe. Im Begleitflügel befanden sich Krümpelschmiede, Stehbolzendreherei, Rohrlager, Kompressoren und Röntgenraum. Kraftwerk / Sozialgebäude, 1914-18 Das ehemalige Kraftwerk ist eine Backsteinhalle mit Satteldach. Die Südfassade ist großzügig durchfenstert mit schmal-hochrechteckigen Fensteröffnungen in einem korbbogigen Fassadenfeld. Vor der Westfassade befindet sich ein Schornsteinstumpf mit bis zur Traufe reichendem Sockel auf quadratischem Grundriss und darüber auf- steigendem Fragment eines Rundschornsteins. Westlich schließt an das Kesselhaus ein eingeschossiger Zwischentrakt zum Wasch- und Badehaus an. Dieses Wasch- und Badehaus wird belichtet durch ein hochliegendes Band aus kleinformatigen Rechtecköffnungen. Vorgezogener Eingangserker mit durchbrochenem Dreiecksgiebel in der Fassadenmitte. Im Giebel befindet sich ein Ovalfenster mit geschwungenem Überfangbogen in zurückspringendem Rechteckfeld. Seit 1949 erfolgte die Stromversorgung durch RWE. Es gab zwei Stromzuleitungen mit Haupt- und zwei Unterstationen. Im ehemaligen Kraftwerk waren zwei Dieselnotstromaggregate aufgestellt für Pressluft mit zwei Rotations- und einem Kolbenkompressor. Bedeutung Das Ausbesserungswerk Mülheim-Speldorf ist im beschriebenen Umfang ein Denkmal gem . § 2 DSchG. Es ist ein Dokument der Eisenbahn- und Industriegeschichte insbesondere des Ruhrgebiets, des Rheinlandes und der Stadt Mülheim a. d. Ruhr. Soweit die Eisenbahn- und Industriegeschichte Teil der Menschheitsgeschichte ist, ist das Objekt bedeutend für die Geschichte des Menschen. Als Beispiel raumgreifender Eisenbahnanlagen im Umfeld historischer Städte ist die Anlage bedeutend für die Geschich- te der Städte und Siedlungen. Als Arbeitsorte sind die Hallen des Ausbesserungswerks besonders die Lokrichthalle und die Kesselschmiede mit der dort verwirklichten Fließfertigung Beispiele für die auch unter der Bezeichnung Fordismus in die Geschichtsschreibung eingegangene Tendenz zur Rationalisierung der Arbeit bedeutend für die Geschichte der Arbeits- und Produktionsverhältnisse. Das Kraftwerk verdeutlicht die ebenfalls in diesem Zusammenhang wichtige Elektrifizierung der Produktion an. Eisenbahngeschichtlich dokumentieren die denkmalwerten Bauten des Ausbesserungswerks Speldorf, besonders aber die Alte Dreherei und die Reste der alten Lokrichthalle die große Zeit der Privatbahnen in Preußen, die hohe Bedeutung der Rheinischen Eisenbahngesellschaft und die Ausbauphase des rechtsrheinischen Eisenbahnnetzes. Gerade hier wird die enge Verzahnung zwischen Industriegeschichte und Eisenbahnbau erkennbar. Die Montanindustrie im Ruhrgebiet wie auch in den angrenzenden Regionen wäre mit dem hohen Bedarf an Transportmöglichkeiten für die Schüttgüter Kohle, Erze und Kalk ohne die Eisenbahn nicht denkbar. Ausbesserungs- und Bahnbetriebswerke in den Knotenpunkten des Netzes waren sehr wichtige Bausteine des Eisenbahnwesens und zeigen zugleich mit den hohen Belegschaftszahlen, dass die Eisenbahn selbst mit diesen Einrichtungen nicht nur Transportunternehmen war, sondern zugleich große industrielle Werke zur Bewältigung der Fahrbetriebs unterhalten musste. Die gewaltige Aufgabe für die Eisenbahn wird auch und besonders in den Ausbesserungswerken, zu denen in Westdeutschland mit Schwerte, Jülich und Paderborn-Nord (seit 1945) noch drei weitere Lokwerke und mit Duisburg-Wedau, Recklinghausen, Opladen, Köln-Nippes, Krefeld-Oppum, Siegen und Paderborn-Nord (seit 1945) sowie sieben Wagenwerke gehörten, deutlich. Im westlichen Ruhrgebiet kann zudem mit der engen räumlichen Beziehung zwischen Speldorf und Wedau der Kontext zwischen Lok- und Wagenausbesserung anschaulich gemacht werden, zumal auch das Wagenwerk Wedau Denkmalstatus genießt (Festgestellt und bestätigt durch Urteil des VG Düsseldorf vom 18.6.2012). Entwicklungsgeschichtlich von großer Bedeutung ist die 1914-18 errichtete neue Lokrichthalle mit der hier verwirklichten Fließfertigung. Verbunden war mit Einführung der Fließfertigung der Übergang von den Quer- zu Längsständen. So entstanden gerade in dieser Zeit kurz vor und während des Ersten Weltkrieges in den Ausbesserungswerken Großhallen für Fließfertigung mit Längsständen: 1911 Trier, 1974-19 Lingen, 1914-17 Paderborn, 1915-18 Jülich, 1917-38 Göttingen/ 1918-22 Schwerte, 1922-24 Brandenburg, 1924-27 Braunschweig. Neben dem Pionierbau dieser Baugattung, der nach amerikanischem Vorbild erbauten Halle in Trier ist Mülheim besonders wegen der außergewöhnlichen Konstruktion (s. u.), der aus Platzmangel zweigeschossig ausgebildeten Dreherei und wegen der Lage im Ruhrgebiet besonders interessant. Die mit der neuen Lokrichthalle dokumentierte Einführung der Fließfertigung ist einerseits bedeutend für die Geschichte der Arbeits- und Produktionsverhältnisse und daher auch in wissenschaftlicher Hinsicht für die Sozialgeschichte s. u. Die Erhaltung des Objektes liegen künstlerische, städtebauliche und wissenschaftliche, besonders architektur-, konstruktions-, technik- und sozialgeschichtliche Gründe vor. In künstlerischer hier besonders baukünstlerischer Hinsicht ist die Alte Dreherei mit einer prägnanten und detailreichen Backsteinarchitektur aus der Zeit des Historismus hervorzuheben. Wichtige Tendenzen der Moderne werden durch Kesselschmiede und Lokrichthalle dokumentiert mit einer entwicklungsgeschichtlich bemerkenswert frühzeitigen Abkehr vom Historismus und den Übergangsstilen der Jahre vor dem Ersten Weltkrieg und einer frühzeitigen Realisierung einer kompromisslos modernen Formensprache. An solchen Beispielen lässt sich ablesen, dass die Fagus-Werke von WalterGropius und Adolf Meyer (1912-14) keine solitären Einzelresultate der frühen Moderne, sondern vielmehr eingebunden waren in gleichgerichtete Bestrebungen im Industriebau. Das Kraftwerk zeigt eine noch stärker an den Monumentalismus erinnernde Architekturhaltung, die auch im Industriebau zur Geltung kam, aber nahezu folgerichtig für die Großhallen des Fertigungs- bzw. Wartungs- und Ausbesserungsbereiche als nicht angemessen erkannt wurden. Hier wurde Stahlfachwerkarchitektur umgesetzt in Anlehnung an die Maschinenhalle der Zeche Zollern 2/4 (1902) jedoch ohne die dort noch aus dem Geist des Jugendstils resultierenden Dekorationsformen. Lokrichthalle und Kesselschmiede in Speldorf sind insofern auch als frühe Vorläufer der von den Architekten Fritz Schupp und Martin Kremmer entwickelten und erst für die Zeche Zollverein 12 (1928-32) zur hohen Blüte gebrachte Architekturauffassung zu verstehen. Besonders interessant sind auch die großen Fensterflächen, die im Werk von Schupp und Kremmer verstärkt und in diesem Umfang erst nach dem Zweiten Weltkrieg zur Anwendung kamen. Die Realisierung solcher Fensterflächen ist auch zu verstehen als Bestrebung, die Arbeitsplätze umfassend und möglichst lange auch in den frühen und späten Tageszeiten und in den lichtschwachen Monaten des Jahres mit natürlichem Licht zu versorgen. Bei dieser in den USA in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg entwickelten ,,daylight architecture" waren mit der Einsparung von Energie-kosten auch ökonomische Gründe maßgeblich. Konstruktionsgeschichtlich ist besonders die in dieser Form seltene, wenn nicht einmalige Holzkonstruktion der Alten Dreherei zu benennen. Auch im Stahlzeitalter der Industriellen Revolution mit den günstig zu erwerbenden Eisen- und Stahlprofilen, wurden Holzkonstruktionen noch erstaunlich lange und auch in größerer Verbreitung noch angewendet. Die vielgliedrige Konstruktionsart für die Hallenschiffe der Alten Dreherei resultieren auch aus der Notwendigkeit große Spannweiten stützenfrei zu überbrücken. Ein traditionelles Baumaterial wurde damit den Anforderungen des Industriebaus zugänglich gemacht. Von großer Bedeutung für die Konstruktionsgeschichte ist auch die Innenkonstruktion der Lokrichthalle. Vollwandprofile gelten als das dominante Ausdrucksmittel der Moderne im Industriebau. Hier sind diese Vollwandprofile zusätzlich zur noch tragfähigeren Kastenbauweise entwickelt worden. Derartige kastenförmige Ausbildungen von Tragelementen sind - dann aber in vollständig geschlossener Form - eigentlich erst ein Merkmal der Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg und wurden dann begünstigt durch die zu der Zeit allgemeinen Verbreitung der Schweißtechnik. Offene Kastenkonstruktionen waren Lösungen der Anfangs- und Übergangszeit dieser Konstruktionstechnik, als man einerseits noch mit Nietverbindungen arbeitete und andererseits eine Rundumschließung der Kastenprofile ablehnte um eine mögliche innenseitige Korrosion schnell erkennen und ausbessern zu können. Ein etwa zeitgleiches Vergleichsbeispiel ist die 1913/14 erbaute Deutzer Brücke in Köln, die unter dem Namen Hindenburgbrücke als Hängebrücke mit offenen Kastenträgern als Versteifungsträger der Fahrbahnen entstand. Technik- und Sozialgeschichtliche Aspekte sind besonders in der fortschrittlichen, für Lokrichthalle und Kesselschmiede erkennbaren Fertigungstechnik enthalten. Fließfertigung war zwar ein schon im 19. Jahrhundert bekanntes, aus der industriellen Fleischproduktion der Schlachthöfe in Chicago stammendes Prinzip, das aber erst mit dem 1913 durch Henry Ford eingeführten Fließbandfertigung in Detroit zu einem weit verbreiteten Vorbild in der Industrie wurde. Die mit der Fließbandfertigung verbundenen und unter dem Namen Fordismus bekannt werdenden Rationalisierungstendenzen wurden besonders in den 1920er Jahren ein auch in Europa stark beachtetes Vorbild. Obwohl nicht zur Bandfertigung zählend kann aber in der Raumdisposition der Hallen (Lokrichthalle und Kesselschmiede) noch nachvollziehbare System der Fließfertigung in Mülheim-Speldorf als wichtiges Beispiel für die Rationalisierungstendenzen jener Zeit verstanden werden mit den sozialgeschichtlich beachtenswerten Resultaten zur Beschleunigung, Verdichtung und Entleerung der Arbeit mit zunehmenden Tendenzen zu Stress und Monotonie. Geschichte Die 1833 in Köln gegründete ,,Rheinische Eisenbahngesellschaft" schrieb durch Mitwirkung am Bau der ersten internationalen Eisenbahnstrecke von Köln über Aachen nach Antwerpen 1837 bis 1843 ein gewichtiges Kapitel deutscher und europäischer Eisenbahngeschichte. Durch Übernahme der Köln-Bonner-Eisenbahn und der Köln- Krefelder-Eisenbahn sowie der Verbindung dieser Strecken durch den Kölner Eisenbahnring entstand bis 1859 ein von Köln ausstrahlendes und in dieser Region konkurrenzloses linksrheinisches Eisenbahnnetz. Im Netzzentrum erbaute die Rheinische Eisenbahn in Kö!n-Nippes bis 1862 eine große Eisenbahnreparatur und -ausbesserungs- werkstatt als ,,Central-Werkstätte bei Köln". In den 1870er Jahren betrieb die Rheinische Eisenbahn eine energische Expansionspolitik auf der rechten Rheinseite, dort, wo die Köln-Mindener-Eisenbahn und die Bergisch-Märkische-Eisenbahn dominierten u. a. mit dem Ziel, im Ruhrgebiet die dritte Kraft zu werden. In einer gewaltigen Kraftanstrengung entstanden seit 1866 eine von der Strecke Köln-Krefeld bei Osterath abzweigende Strecke zum Rhein, die zunächst per Trajekt, dann mittels Brücke (1874) den Strom querte und über Speldorf, Mülheim, Essen, Bochum nach Dortmund-Hörde und Hagen führte. Diese Ost-West Strecke wurde von Süden T-förmig mit der den Rhein in größerem Abstand begleitenden Trasse Troisdorf-Speldorf verknüpft. Deutlich auf den Transport von Gütern konzipiert mit den Endpunkt Friedrich-Wilhelms-Hütte in Troisdorf und zum Hoerder Bergwerks- und Hütten-Verein (später Hoesch) in Hörde, wurde die rechtsrheinische Trasse mit Verlängerung nach Niederlahnstein und dem dortigen Anschluss an die Bahnlinie nach Wiesbaden-und Frankfurt eine der wichtigen überregionalen Anlagen des Eisenbahnverkehrs. In Düsseldorf wurde von dieser Trasse abzweigend eine weitere Ost-West-Strecke nördlich an Wuppertal vorbei nach Hagen und Dortmund realisiert. Die Rheinische Eisenbahn hatte 1875 ein Streckennetz von 1014 km Länge und einen Fahrzeugbestand von 734 Lokomotiven, 734 Personen- und 11.745 Güterwagen; Auch in der Erträgen wurde die Orientierung auf den Güterverkehr deutlich: bei 10,8 Mio. Fahrgästen und 7 ,4 Mio. t Fracht konnten 12,1 Mio. Mark aus dem Personen- und 28,1 Mio. Mark aus dem Güterverkehr erlöst werden. Einmal mehr wird in diesen Zahlen die enge Verbindung zwischen Verkehrs- und Industriegeschichte deutlich. Zur Wartung und Reparatur des gewaltigen Fahrzeugbestandes reichte die Zentralwerkstatt in Köln-Nippes nicht mehr aus. Zudem mussten entsprechende Anlagen dort entstehen, wo das rollende Material nun verstärkt eingesetzt wurde: auf der rechten Rheinseite im Ruhrgebiet. Die Standortwahl in dem damals westlich vor Mülheim gelegenen Orten Broich und Speldorf war naheliegend, weil sich hier die Nord-Süd und die Ost-West-Strecken trafen. Dieser Knoten wurde in seiner Bedeutung noch durch eine Verbindungskurve zur 1876 fertiggestellten Ruhrtalbahn verstärkt. So entstand hier eine der großflächigen Eisenbahnanlagen des Ruhrgebiets mit Rangierbahnhof, Betriebswerk, Ausbesserungswerk und einem opulenten Empfangsgebäude. Die erste, 1874 fertig gestellte Baustufe des Ausbesserungswerks umfasste eine Lokwerkstatt, eine daran rechtwinklig anschließende Dreherei, Schmiede, Wagenwerkstatt und Magazin. In der Nähe wurden Wohnungen für Werkmeister und Arbeiter gebaut. Im Ausbesserungswerk waren in den Jahren um 1875 150 bis 200 Mann beschäftigt. Mit der in Preußen bis 1880 durchgeführten Verstaatlichung der Eisenbahnen und dem damit bedingten mitunter kuriosen Parallelbetrieb der Privatgesellschaften entstanden durch die Konzentration von Funktionen neue Bauaufgaben. Die bisherige Zuordnung für Köln-Nippes als Haupt- und Speldorf als Filialwerkstatt galt nicht mehr. Speldorf wuchs von 200 auf 600 bis 700 Beschäftigte mit einer Jahreskapazität von 400 Lokomotiven und 19-20.000 Güterwagen. Dazu wurden Lok- und Wagenrichthalle erweitert, eine neue Kesselschmiede (1884) sowie eine Schreinerei und mehrere Kleinbauten errichtet. Zu den wichtigen Ausbaumaßnahmen der Folgejahrzehnte gehörte 1903-04 ein erstes Kraftwerk westlich der Lokrichthalle und die Umstellung der Schiebebühnen und Hebeböcke auf Elektroantrieb und zugleich eine Steigerung der Lokreparatur mit Einbau einer Krananlage. Ausgelöst durch die Enge auf dem inzwischen eng bebauten Werksgelände erfolgte 1912/13 eine Umbauplanung, die einer Neukonzeption gleich kam. Die Wagenausbesserung in Speldorf wurde mit dieser Konzeptrealisierung geschlossen und nach Duisburg-Wedau verlegt, 300 Beschäftigte als dortige neue Stammbelegschaft nach Wedau verlagert. Auch der Rangierbahnhof wurde nach Wedau verlegt. In Speldorf entstand östlich der alten Werkstattbauten nach Abbruch der Wagenhalle 1914-18 ein Neubaukomplex aus Lokrichthalle, Kesselschmiede und Kraftwerk. Die alte Lokreparatur wurde noch einmal erweitert. Speldorf wurde im Ersten Weltkrieg Sitz eines Werkstättenamtes. Nach Kriegsende kam sogar ein zweites hinzu. Doch schon 1925 wurden die alte Lok- und Wagenrichtwerke zentral von Köln aus geleitet. Mit der neuen Lokrichthalle wurde in Speldorf die Fließfertigung eingerichtet und insgesamt die Werkstättenarbeit durch Typisierung, Normung und Spezialisierung rationalisiert. Waren zuvor Montagegruppen jeweils für die Gesamtausbesserung einer Lokomotive zuständig, liefen die Maschinen nun von Station zu Station. Die Zahl der Arbeitsschritte wurde halbiert, die Reparaturzeit von 70 auf 26 Tage reduziert und die Laufleistung der Lokomotiven zwischen den Wartungen verdoppelt. Während des Zweiten Weltkrieges kam die alte Lokreparatur wieder in Betrieb. Im Werk arbeiteten 1000, in Baracken untergebrachte Zwangsarbeiter. Bombentreffer verursachten Schäden an den Gebäuden. Neun Tage nach Einmarsch amerikanischer Truppen wurde am 20.4.1945 die Arbeit im Ausbesserungswerk wieder aufgenommen. Neue Bauten entstanden 1947-48 mit einer weiteren Ausdehnung des Werksgeländes. 1949 arbeiteten 1800 Mann im Werk mit einer Jahresleistung von etwa 1000 Lokomotiven. Zehn Jahre später bedeutete die Aufgabe der Dampftraktion das Ende des Werks. Nach Protesten wurde die Belegschaft verteilt auf die Werke Krefeld, Duisburg und Schwerte. Eine 200köpfige Nachhut musste die alten Arbeitsplätze abwickeln. Werksanlagen und Gelände wurden 1960 durch die Stadt Mülheim für ein Straßenbahndepot und Industrieansiedlungen erworben. 2007 erfolgte die Stillegung der Stecke Duisburg-Wedau nach Speldorf. Auf der inzwischen von Gleisen geräumten Gleisfläche soll ein Rad- und Fußweg entstehen. Die Dreherei wurde 2008 von einem Trägerverein für einen Umbau zur Nutzung durch Mülheimer Vereine erworben.

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DE_05117000_A_DL-0664