Wohnhaus Kotten Loge

Laufende Nummer: 
699
Eintragung: 
11. November 2018
Denkmalart: 
Baudenkmal
Klassifikation: 
cultural
Straße, Hausnummer: 
Düsseldorfer Str. 20/22
Kurzcharakteristik und Würdigung: 

Das zwischen 1790 und 1800 errichtete Doppelwohnhaus mit Ladenlokal prägt als Bestandteil der Zeilenbebauung auf der nördlichen Seite der Düsseldorfer Straße den Straßenraum im Ortskern von Saarn. Bestandteil des Baudenkmals Das o. g. Doppelwohnhaus Düsseldorfer Str. 20-22 stellt in seiner Gesamtheit ein Baudenkmal dar. Folgende Bestandteile konstituieren seinen Denkmalwert: die aus Fachwerk bestehenden Gebäude-Umfassungswände, einschließlich der Haustrennwand zwischen den Haushälften Nr. 20 und 22; dazu gehören die aus Ziegel oder Lehmstaken bestehenden Ausfachungen und erhaltenen Strohlehmputze/ Lehmputze in diesen Wänden, sowie erhaltene Farbfassungen; die straßenseitige Putzfassade der Haushälfte Nr. 22; die zu den jeweiligen Hausteilen gehörigen Gewölbekeller mit den Zugängen; die Holzbalkendecken über Erdgeschoß und Obergeschoß; der ältere, südwestliche Abschnitt des Hofgebäudes, mit der gerade abgeschlossenen Stirnwand und der grenzständigen Fachwerkwand; das zu den Gebäuden gehörige Gartengrundstück. Lage Das o. g. Objekt liegt im Mülheimer Stadtteil Saarn auf der Nordseite der Düsseldorfer Straße und fluchtet mit seiner straßenseitigen Fassade nicht exakt mit der angrenzenden Nachbarbebauung. Dem Gebäude schräg gegenüber mündet die Viehgasse, östlich des Gebäudes die Holunderstraße in die Düsseldorfer Straße ein, die sich in diesem Bereich platzartig weitet; so ist hier im Verlauf der Düsseldorfer Straße eine städtebauliche Akzentuierung des Straßenraumes gegeben. Geschichte Die Entstehung des Dorfes Saarn, auf dem Westufer der Ruhr an der dortigen Niederterrassenkante gelegen, dürfte maßgeblich durch das gleichnamige Zisterzienserinnenklos-ter befördert worden sein. Dieses wurde im frühen 13. Jahrhundert gestiftet (Ersterwähnung 1214), war mit einem wenig jüngeren Tochterkloster im Raum Neuss verbunden und unterstand der geistlichen Aufsicht des Abtes von Kloster Kamp, dem 1123 gegründeten ersten Zisterzienserkloster im damaligen deutschsprachigen Raum. Auf der von Geometer P. Becker 1822 gefertigten „Gemeinde Charte des Parzellars Katasters der Gemeinde Saarn" sind zwei Bereiche erkennbar: der Klostermarkt mit säkularisiertem Kloster (seinerzeit Gewehrfabrik) im Südosten und ein nordwestlicher Teil, der von einem unregelmäßigen Straßennetz durchzogen ist (heutige Namen: Düsseldorfer Straße, Otto-Pankok-Straße, Holunderstraße, Hennenstraße, Bleker Straße). Insgesamt bildet der Grundriss des Dorfes ungefähr ein Oval, das an der südwestlichen Flanke von der heutigen Düsseldorfer Straße als überörtlicher Verbindung (zwischen Broich und Mintard) durchquert wird. Die Bebauung an der Südseite der Düsseldorfer Straße bildete 1822 zugleich den Rand des Dorfes, dessen Bebauung sich an der Viehgasse bereits in Richtung der Feldflur und der dort liegenden Hofanlagen, fortzusetzen begann. An der Mündung der Holunderstraße auf die Düsseldorfer Straße ist 1822 eine reformier-te Kirche eingetragen. Diese entstand 1683 zunächst als einfache Fachwerkkapelle, 1778 wurde sie durch eine gemauerte Kapelle ersetzt (mehrfach erweitert). Die Düsseldorfer Straße macht hier eine charakteristische Biegung, die bis heute an der Straßenmündung der Holunderstraße ablesbar ist. Der Mündung der Viehgasse gegenüber eingetragen ist ein bis an den Straßenverlauf gerücktes Gebäude, das rückwärtig einen kleinen Anbau besaß. Hierbei dürfte es sich um das Doppelwohnhaus Düsseldorfer Straße 20-22 handeln, das somit im damals noch relativ locker bebauten Zentrum des historischen Saarn steht. Die im gleichen Jahr 1822 gezeichnete Flurkarte der Sektion C, Bürgermeisterei Mülheim, Gemeinde Saarn von Hülfsgeometer W. Schriever zeigt die bis 1869 nachgeführte Bebauung des Saarner Ortskernes im Maßstab M 1:1.250. Das Doppelwohnhaus Düsseldorfer Straße 20-22 ist hier mit den älteren Nummerierungen 105 und 106 gekennzeichnet, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft jüngere Bauten das Ortsbild verdichteten. Laut Leo Werry u. a. 2005 entstand das Doppelwohnhaus als Anwesen der des Kötters Diedrich Loge um 1790/1800, 1822 sei demnach eine Witwe Loge als Eigentümerin überliefert (daher folgend: Kotten Loge). Das fragliche Grundstück wurde zwischen 1822 und 1869 geteilt. Pächter des von Witwe Lige an die kath. Kirchengemeinde Saarn vererbten Kottens ist gemäß gleicher Quelle 1840 ein Schumachermeister Mülheims (gefolgt von Sohn und Enkel, die ebenfalls als Schuhmacher tätig waren.) 1895 veräußerte die Kirchengemeinde das Doppelhaus an den Schneidermeister Theodor Willmsen aus Saarn. Für 1971 ist eine umfangreiche Renovierung durch die Erben (Fam. Oberdieck) überliefert. Darstellung der wesentlichen charakteristischen Merkmale Ein im Anhang dieses Gutachtens abgedrucktes Foto zeigt den Kotten Loge vor der Maßnahme 1971. Die unterschiedliche Fassadengestaltung verdeutlicht das Doppelhaus mit seinen zwei eigenständigen Haushälften. Die Haushälfte Nr. 20 (zur Straße, rechte Seite) zeigt im Erdgeschoß einen Rauputz mit niedrigem Sockel, im Obergeschoß zeichnet sich eine Bekleidung mit liegenden Fugen ab. Während das außermittige Obergeschoß-Fensterpaar mit hochrechteckigem Format älteren Ursprungs sein dürfte (Objektbeschreibung S. 2, 3 und 4 GA Strauß-Fischer) Begründung des Denkmalwertes Das o. g. Doppelwohnhaus ist bedeutend für die Geschichte des Menschen und für Städte und Siedlungen, hier insbesondere die Stadt Mülheim und deren Stadtteil Saarn. Bedeutung für die Geschichte des Menschen Das o. g. Objekt ist bedeutend für die Geschichte des Menschen als Zeugnis für eine Bebauung, die aufgrund ihrer spezifischen Gestaltungsmerkmale als Bestandteil des vorindustriellen Saarn definiert werden kann. Darauf verweisen zum einen die „verspringende" Positionierung des Doppelwohnhauses innerhalb der Zeilenbebauung, zum anderen seine Maßstäblichkeit inmitten jüngerer Gebäude mit deutlich höheren Trauflinien. Dem Doppelwohnhaus Düsseldorfer Straße 20-22 kommt ein Aussagewert für das Leben und die architektonische Gestaltfindung in der noch weitgehend ländlich geprägten Ortschaft Saarn um 1800 zu. Das Doppelwohnhaus Düsseldorfer Straße 20-22 ist bedeutend für die Stadt Mülheim, insbesondere für das „Dorf Saarn", da es als Teil der überkommenen Bebauung den historischen Entstehungsprozess dieses heutigen Mülheimer Stadtteils bezeugt, der am 1. Januar 1904 nach Mülheim an der Ruhr eingemeindet wurde. Es dokumentiert durch seine Anordnung und Lage in der Örtlichkeit und durch seine Gestaltung für sich allein und im Kontext der umgebenden Bebauung den historischen Entwicklungsprozess Saarns, das im Landkreis Mülheim an der Ruhr seit 1878 zur Bürgermeisterei Broich gehörte. Für die Erhaltung und Nutzung des o. g. Objektes liegen wissenschaftliche, insbesondere architekturhistorische, orts- und städtebauliche sowie volkskundliche Gründe vor. Das o. g. Objekt ist in besonderem Maße geeignet, geschichtliche Entwicklungen aufzuzeigen und zu erforschen. Seine Bedeutung folgt aus seinem Wert für die Dokumentation früherer Bauweisen und der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die in dem Gebäude und seiner Bauweise zum Ausdruck kommen. Bei den wissenschaftlichen Gründen kommen besonders die architekturhistorischen zum Tragen, da sich das o. g. Objekt für die Erforschung und Dokumentation der Baukunst um 1800 als geeignet erweist und ein wichtiges Zeitdokument der Architekturgeschichte darstellt. Ihm kommt somit die Eigenschaft zu, die Entwicklung der Architektur zu dokumentieren, es kommt aber auch als Einzelobjekt und Gegenstand wissenschaftlicher Forschung im Kontext der Architektur des vorindustriellen Bauens in Betracht. Die schlichte, ländlich geprägte Fachwerkarchitektur des vorindustriellen Zeitalters war konstruktiv und strukturell in den vergangenen 200 Jahren einem steigenden Veränderungsdruck ausgesetzt. Dies verdeutlicht auch der Kotten Loge, der diese Veränderungsgeschichte in seiner Straßenfassade anschaulich macht, dennoch mit seinen erhaltenen Gewölbekellern und dem konstruktiven Gerüst genügend originale Bausubstanz aufweist. Zugleich macht der Kotten Loge in typischer Weise deutlich, dass gerade in ländlichen Gegenden die Veränderungen bis in das 20. Jahrhundert hinein oft nur additiv waren, d. h. in vorliegendem Fall, dass das konstruktive Fachwerkgerüst mit den Ziegelausfachungen unter jüngeren Hinzufügungen erhalten ist (insbesondere bei der Haushälfte Nr. 20). Für den Erhalt des Kotten Loge sprechen daher wissenschaftliche Gründe, besonders im Kontext mit der Haus- und Bauforschung im ländlichen Raum. Auch ortshistorische und städtebauliche Gründe sind bei der Bewertung des Doppelwohnhauses Düsseldorfer Straße 20-22 als Baudenkmal von Relevanz. Das Dorf Saarn gehört im heutigen Stadtgefüge Mülheims zu den ältesten erhaltenen Siedlungskernen. Im 20. Jahrhundert in westlicher Richtung umfangreich erweitert, ist der historische Ortskern inmitten des heutigen Saarn weiterhin gut ablesbar. Hierzu tragen auch Otto-Pankok-Straße, aber auch an der Düsseldorfer Straße ortsbildprägend wirksam sind. Das als Kotten Loge bekannte Doppelwohnhaus mit Ladenlokal knüpft maßstäblich an diese Fachwerkbebauung an, während die den Kotten Loge flankierenden historistischen Bauten eine neue Maßstäblichkeit und eine erkennbar jüngere Zeitschicht etablieren. Neben dieser spezifischen Maßstäblichkeit des Kotten Loge, die in diesem Teilstück der Düsseldorfer Straße für das Ortsbild wesentlich ist, zeigt dieser zudem eine typische Aufwertung durch gründerzeitlichen Stuckdekor, hier in einer eher ländlichrustikalen Ausführung. Die Tatsache, dass das Gebäude nur in der dem Ladenlokal zuzuordnenden Haushälfte Düsseldorfer Straße 22 derart aufgewertet wurde, stellt dabei ein gestalterisches und stadträumliches Spezifikum dar. Die Haushälfte Nr. 20 hat hingegen augenscheinlich mehr bauzeitliche Substanz bewahrt; dazu gehört neben dem fachwerksichtigen Seitengiebel mindestens auch das Erdgeschoß der straßenseitigen Fassade. Die Düsseldorfer Straße weitet sich zum unweit einmündenden Holunderweg auf; der Kotten Loge steht leicht gedreht zum heutigen Straßenverlauf und trittdadurch stärker in den Blick. Er bildet in Ergänzung der Fachwerkbauten am Klostermarkt und des Fachwerkbaus an der Viehgassenmündung einen wichtigen Baustein in der Abfolge der vor 1820 errichteten Bebauung entlang der Düsseldorfer Straße. Die Düsseldorfer Straße ist bis heute die durch Ladenlokale geprägte zentrale Einkaufsstraße Saarns, zu der sie sich von der ehemals zwischen Broich und Mintard verlaufenden, überörtlichen Straße ausgehend entwickelt hat. Durch den charakteristischen Schwenk der Düsseldorfer Straße an der Mündung der Holunderstraße steht das Doppelwohnhaus Düsseldorfer Straße 20-22 leicht verdreht zur heutigen Verkehrsführung und bildet so einen charakteristischen, unverzichtbaren Bestandteilder Zeilenbebauung. Aufgrund der offenbar gut erhaltenen Fachwerkkonstruktion der Haushälfte Nr. 20 und der erhaltenen Stuckfassade der Haushälfte Nr. 22 sprechen für den Erhalt des o. g. Doppelwohnhauses städtebauliche Gründe. Volkskundliche Gründe lassen sich vor allem aus der Konstruktionsweise des o. g. Objektes erschließen. Die Unterschutzstellungspraxis in den Anfängen, d. h. Ende der 1970er Jahre, der institutionalisierten Denkmalpflege dokumentiert eine besondere Wertschätzung, die Fachwerkbauten als Zeugnisse des als landschaftsgebunden und volkstümlich begriffenen Bauens in vorindustrieller Zeit genossen haben. Dieser Fokus hat sich heute verändert, dennoch wird gerade von Laien das Vorhandensein von Fachwerkbauten in historischen Ortskernen als Zeugnis langdauernder Geschichte und als Zeugnis einer örtlichen Alltagsgeschichte begriffen. Dies gilt auch für den Kotten Loge, der im örtlichen Gedächtnis u. a. als Wohn- und Arbeitsort einer Schuhmacherfamilie Mülheims präsent geblieben ist. So wird das Hofgebäude mit der Nutzung als Schuhmacherwerkstatt verknüpft. Die volkskundlichen Gründe manifestieren sich auch in den erhaltenen Ziegelausfachungen mit Strohlehmputz, einfachen Farbfassungen und Tapeten im straßenseitigen Erdgeschoßraum der Haushälfte Nr. 20. Auch wenn diesen kein hoher kunst- oder baugeschichtlicher Wert zukommt, sind sie als Spuren des Alltags in einem einfachen Handwerkerhaus und vor dem Hintergrund einer schlechten Überlieferungslage solcher Ausstattungen im Raum Mülheim dennoch von Zeugniswert. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das o. g. Doppelwohnhaus Düsseldorfer Straße 20-22 in Mülheim-Saarn ein Baudenkmal im Sinne des § 2 DSchG NW darstellt, an dessen Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht. Das Gutachten des Büros Strauß & Fischer Historische Bauwerke vom 03.08.2018 und der als Anlage beigefügte Lageplan sind Bestandteil der Eintragung.

Unterschutzstellungsdokument: 
INSPIRE: 
DE_05117000_A_DL-0699