Oberstraße 57 – Wohnhaus (Arch. Fritz von der Dunk)

Laufende Nummer: 
665
Eintragung: 
3. September 2014
Denkmalart: 
Baudenkmal
Klassifikation: 
cultural
Straße, Hausnummer: 
Oberstraße 57
Kurzcharakteristik und Würdigung: 

2-geschossiges, unterkellertes, Wohnhaus an der Ecke Kämpchenstraße/Oberstraße in Putz mit Mansarddach; je zwei Achsen zur Oberstr. und Kämpchenstr. Schlicht gestaltete Fassade horizontal durch Sohlbankgesimse gegliedert. An Gebäudeecke durch 2-geschossigen Runderker mit 3 Fensterachsen und Zeltdach im 1.Ober- und Dachgeschoß dominiert. Hauseingang m. vorgesetzten Stufen mittig an südl. Hausfront in Rechtecknische; Haustüre mit Originaltürblatt u. Oberlicht. Alle Holzfenster aus Erbauungszeit, im 1.OG Klappläden. Beschläge u. Oliven original. Qualitätvoll-funktionale bauzeitliche Innenausstattung: Treppenhaus mit bauzeitlichen Fliesen im EG; schlichte bauzeitliche Holztreppe. Originale Eingangstüren mit ungeteiltem Oberlicht, sowie kassetierte Holztür zum Garten mit vertikal gegliedertem Oberlicht. - Großteil der hölzernen Wohnraumtüren original, z. T. mit Originalbeschlägen. Im EG z.T. unter der Tapete Stuckatur in der Raummitte ablesbar. - Vorgarteneinfriedung mit verputztem Mäuerchen rhythmisiert durch verputzte Pfeilerstümpfen mit dazwischen eingespannten liegenden schlichten Metallstangen parallel zur Mauer. Lage Das o. g. Wohngebäude bildet an der Kreuzung Oberstraße/Kämpchenstraße den Abschluss einer nahezu geschlossenen Blockrandbebauung an der Kämpchenstraße, die im frühen 20. Jahrhunderts teils in der Formensprache des Historismus bzw. des Jugendstil errichtet wurde. Nördlich grenzt es an das etwa zeitgleich ebenfalls von Fritz von der Dunk in der Formensprache des Reformierten Bauens errichtete Wohngebäude Kämpchenstraße 44, das als Baudenkmal bewertet und am 17.05.2011 in die Denkmalliste der Stadt Mülheim eingetragen wurde. Die östliche Gebäudefront ist zur Kämpchenstraße, die Eingangs- und Westfront zur Oberstraße hin ausgerichtet, während die Westseite die Gartenfront bildet. Das Wohngebäude zeigt sich in der gleichen schlichten Formensprache des Reformierten Bauens und dominiert mit seiner erkerbesetzten, türmchenartigen Eckausbildung städtebaulich die Straßenkreuzung Oberstraße / Ecke Kämpchenstraße. Beschreibung Der 2-geschossige, unterkellerte, verputzte Baukörper mit Mansarddach weist jeweils zwei Achsen zur Oberstraße u. Kämpchenstraße auf. Die schlicht gestaltete Fassade wird horizontal durch Sohlbankgesimse gegliedert und an der Gebäudeecke durch einen 2-geschossigen Runderker mit 3 Fensterachsen und Zeltdach im 1. Ober- und Dachgeschoß dominiert. Der Hauseingang mit vorgesetzten Treppenstufen befindet sich mittig an der südlichen Hausfront, liegt in einer Rechtecknische und weist das originale Türblatt mit Oberlicht auf. Die hochrechteckigen Fensteröffnungen in den Vollgeschossen und im Dachgeschoß – bei letzterem befinden sich nur Fensteröffnungen auf der Gebäudeseite zur Kämpchenstraße hin - sind alle noch mit den originalen Fensterrahmen versehen und weisen die gleiche Größe auf. Alle Fensterrahmen aus der Erbauungszeit sind noch erhalten, die Fenster im 1. Obergeschoß sind mit Klappläden versehen. Rückwärtig weist die ansonsten schlicht gehaltene, ebenfalls verputze Fassade in der linken Außenachse einen Loggienanbau über alle Geschosse des Gebäudes auf, dessen Südseite auf jeder Etage eine Rechtecköffnung liegt. Im Inneren ist die schlichte, dennoch qualitätvoll-funktionale bauzeitliche Innenausstattung des Wohngebäudes erhalten, die dem Wohngebäude einen hellen und wohnlichen Charakter verleiht. Die Eingangstür ist leicht zurückgesetzt, im Inneren schließt direkt das Treppenhaus an, das sich über rechteckigem Grundriss parallel zur Straßenflucht über das gesamte Gebäude er-streckt. Das Treppenhaus wird sowohl über eine Fensteröffnung auf der Gartenseite, als auch über ein in der Achse der Eingangstür im 1. Obergeschoß angeordnetes Fenster belichtet. Der Fußboden im Erdgeschossflur ist mit bauzeitlichen Fliesen in den Farben beige, grau, rot und gelb ausgelegt, wobei der aus ornamentalen Zierfliesen bestehende Spiegel von einem Schmuckband eingefasst wird (eine vergleichbare Fliese, jedoch mit blauer Blume, befindet sich in der Kämpchenstraße 44). Die Sockelzone im Erdgeschoß ist umlaufend mit Marmor verkleidet, der kassettenartig eingefasst ist, die Wandflächen darüber sind verputzt. Eine schlichte bauzeitliche Holztreppe erschließt die Wohngeschosse; auch die originalen Eingangstüren mit ungeteiltem Oberlicht sind noch erhalten. Die kassetierte Holztür zum Garten mit vertikal gegliedertem Oberlicht stammt ebenfalls aus der Bauzeit. Ein Großteil der hölzernen Wohnraumtüren ist im Original erhalten, z. T. mit den Originalbeschlägen. Ebenfalls erhalten sind die Beschläge der Holzfenster und den Oliven. Im Erdgeschoss ist zum Teil unter der Tapete die Stuckatur in der Raummitte ablesbar. Der Vorgarten wird an der Ober- und Kämpchenstraße von einem verputzten Mäuerchen eingefriedet, das von verputzten Pfeilerstümpfen rhythmisiert wird, zwischen denen schlichte Metallstangen parallel zur Mauer eingespannt sind. Begründung des Denkmalwertes Das o. g. Objekt ist bedeutend für die Geschichte des Menschen, da es den Typus des städtisch geprägten, in Reihenbebauung integrierten Mehrfamilienhauses darstellt und die Wohn- und Lebensweise des städtischen Bür-gertums der Mittelschicht vor dem 1. Weltkrieg dokumentiert. Zudem akzentuiert der Baukörper mit seinem Eck-Fenstererker die Straßenkreuzung Ober-/Kämpchenstr. und stellt mit diesem pointierten Abschluss der geschlossenen Straßenbebauung an der Kämpchenstraße eine gelungene städtebauliche Lösung dar. - Die hier überlieferte Bauweise, die Materialien und die originale historische Innenausstattung stellen ein erlebbares und stringentes Zeugnis für eine gelungene Architektur dar, die sich städtebaulichen Ordnungsprinzipien unterwirft. Das o. g. Objekt ist bedeutend für die die Stadt Mülheim, da es mit seiner architektonischen Einbindung in die Bebauung an der Kämpchenstraße den städtisch geprägten Charakter dieses Straßenzuges konstituiert und mit seiner originalen Kubatur, Proportionierung und Gestaltung des Vorgartens ein den Mülheimer Stadtraum an der Ober- und Kämpchenstraße prägendes Gebäude darstellt. Für die Erhaltung und Nutzung des Gebäudes liegen wissenschaftliche, insbesondere architektur-, ortshistorische sowie städtebauliche Gründe vor. Das o. g. Objekt stellt ein qualitätvolles, unverändert erhaltenes Beispiel für ein Wohngebäude (Mietshaus für drei Parteien) des frühen 20. Jahrhunderts dar. Die architektonische Formensprache orientiert sich an der Reformbau-kunst, die sachliche und schlichte Formen in die Architektur einführte und sich gestalterisch als Gegenbewegung zum historistischen Eklektizismus verstand. Vor allem der Deutsche Werkbund setzte sich nach dessen Gründung entschieden für die Reformarchitektur ein. Der Reformstil wurde auch von der Heimatschutzarchitektur beeinflusst, um sich vom Internationalismus des Historismus abzugrenzen. So waren die solide handwerkliche Ausarbeitung des Heimatstils und seine funktionale Gestaltungsweise auch für die Reformbaukunst von Bedeutung. Dabei spielte in der Reformbaukunst ebenso wie im Heimatschutzstil die lokale Bautradition eine wichtige Rolle. Im Wohnungsbau tendierte man zur Vereinfachung und Versachlichung, Merkmale, die auch auf die Fassadengestaltung und die Formensprache des o. g. Gebäudes zutreffen. Auch funktionale Aspekte wie zweckmäßige Grundrisse, günstige Belichtung der Wohnräume, vom Material her gediegene, aber schlichtzeitlose, bis heute zum Wohnwert beitragende Innenausstattung, Balkonanbauten zur Verbesserung des Wohnkomforts bestimmten die formale Durchbildung und die Raumdisposition. So verzichtete man zugunsten größtmöglicher Wohnfläche auf einen repräsentativen Hauseingang und streng axale Ausbildung. Dennoch sind die Architektur und die Innenausstattung im Detail geprägt von qualitätvollen Materialien und solider handwerklicher Durchbildung, die auch heute noch ansprechend wirken und zu einem angenehmen Wohnklima beitragen. Das Gebäude stellt darüber hinaus ein anschauliches, original erhaltenes Beispiel für das Schaffen des Mülheimer Architekten Friedrich von der Dunk dar, der in der Nachbarschaft mehrere Wohngebäude gleichen Stils errichtet hat. Er hat mit seinen funktional durchdachten Bauten, die sich dem städtischen Gefüge unterordnen, eine qualitätvolle, bürgerlich geprägte Architektur im Mietwohnungsbau geschaffen, die neben Wohnkomfort auch gestalterische Qualitäten aufweist und deren Gültigkeit bis heute andauert. Von der Dunk gehörte zur Generation der Architekten um 1910, die sich mit der Reformierung des Mietshauses in der Innenstadt auseinandersetzen. Mit der Gründung des Bundes deutscher Architekten 1903 und des Werkbundes 1907 emanzipierten sich die Architekten und gaben Impulse für die allgemeine Diskussion um Wohnbedürfnisse. Hans Poelzig etwa forderte 1906, dass man den Wohnungsbau von seiner äußerlichen Auffassung befreien und von innen her entwickeln solle. Diesem kontextuellen Entwurfsgedanken sah sich, wie seine Bauten zeigen, auch der vorwiegend in Mülheim an der Ruhr tätige Architekt Friedrich von der Dunk verpflichtet. Das o. g. Wohngebäude ist städtebaulich von Bedeutung, da es einen unverzichtbaren Bestandteil der historischen Bebauung der Ober- und Kämpchenstraße bildet. Zusammen mit den in der Kämpchenstraße bereits in die Denkmalliste der Stadt Mülheim eingetragenen Wohngebäuden, die in der Formensprache des Historismus und des Jugendstil errichtet wurden, stellt es ein Ensemble dar. Dieses vermittelt anschaulich die Entwicklung der architektonischen Auffassung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die vom historisierenden Formenrepertoire über die vegetabile Formensprache des Jugendstil bis hin zum Reformstil reicht, der durch den Rückgriff auf einfache, klare Formen der Klassik, des Biedermeier und des Barock geprägt wird. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das o. Gebäude in oben definiertem Umfang ein Baudenkmal im Sinne des § 2 DSchG NW darstellt und dass an seiner Nutzung und Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht.

Unterschutzstellungsdokument: 
INSPIRE: 
DE_05117000_A_DL-0665