Rieken-Haus

Laufende Nummer: 
658
Eintragung: 
26. September 2013
Denkmalart: 
Baudenkmal
Klassifikation: 
cultural
Straße, Hausnummer: 
Leineweberstraße 21-25
Kurzcharakteristik und Würdigung: 

9-geschossiges, 27m hohes, stadtbildprägendes Wohn- und Geschäftshaus in zentraler Lage an der Kreuzung Leineweberstraße / Friedrich-Eberstraße. Das Bauwerk wurde 1955 nach Plänen von W. und F. Bunse (Mülheim) vom Bauunternehmen Carl Rudolphi (Mülheim) für Wilhelm und Walter Rieken errichtet. Der Baukörper gliedert sich -in ein Hochhaus über rechteckigem Grundriss mit Grundfläche von 33 m x 17,5, m und 16 bzw. 8 Fensterachsen und -in einen dreigeschossigen Flachdach-Anbau über unregelmäßig polygonalem Grundriss (ca. 10 m x 12 m Grundfläche) mit 6 bzw. 4 Fensterachsen an der Südseite. Konstruktiv handelt es sich um einen Stahlbetonskelettbau mit Schwemmsteinausmauerung. Architektonisch auffällig ist unter anderem das Staffelgeschoss des Hochhauses mit seinem stark auskragenden, konvex ausgebildeten und an den Ecken abgerundeten Flachdach. Das Dach wird durch kräftige, schräg ausgebildete Betonstützen getragen. Neben dem Schwung des kurvigen Kragdaches (typ. architektonisches Stilmerkmal der 50er Jahre) ist die dominierende helle Fassade und Ihre Verklinkerung mit hochrechteckig angeordneten, oberflächenglatten, farblich leicht unterschiedlichen Verblendern ein weiteres wichtiges Gestaltungsmittel. Im EG befinden sich Ladenlokale mit großen Schaufensterflächen und schmalem umlaufenden Kragdach. Das 1. OG, (das sogen. Zwischengeschoss) tritt durch ein erkerartig betontes, gerahmtes Fensterband hervor. Die weiteren Obergeschosse (überwiegend Wohnnutzung) werden durch regelmäßige Fensterrasterung rhythmisiert; an Schmalseiten sind die Fenster paarweise zusammengefasst. Das Staffelgeschoss zeigt ein zurückliegendes Fensterband. Die gerundeten, lisenenartig hervorgehobenen Gebäudeecken setzen einen vertikalen Akzent, während durch das Band des Erd- und Zwischengeschosses mit Vorbau sowie durch das Staffelgeschoss mit Flachdach die Horizontale betont wird. Die innere Gebäudestruktur mit Treppenhaus, Fluren, Grundrissorganisation (Wohngeschosse ursprünglich als Sechsspänner) und Aufzug ist ebenfalls weitgehend erhalten. Der Grundriss entwickelt sich um ein zentrales Treppenhaus mit Aufzug und Belichtung durch eine Glasbausteinwand über einen Innenhof. Ein zweites Fluchttreppenhaus - von außen sichtbar – liegt an der westlichen Schmalseite in weiterem laubenartig geöffnetem, Lichthof. Nicht erhalten sind die ursprünglichen Fenster (EG Metall, OG Holz), deren Öffnungen durch schlichte Fensterumrahmung in Sichtbeton eingefasst sind. Die Ladenlokale im EG wurden im Laufe der Jahre erheblich umgebaut; in den Obergeschossen befinden sich zum Teil Büro- oder Praxisräume. Gemäß der Stellungnahme des Amtes für Denkmalpflege im Rheinland vom 10.8.2012 sind folgende Gründe für die Denkmaleigenschaft des Bauwerks maßgebend: „Das Rieken-Haus stellt trotz der Veränderungen im Bereich der Erdgeschosszone, die bei der Bewertung des Gebäudes als Baudenkmal vernachlässigbar sind, ein typisches und qualitätvolles Beispiel für ein Wohn- und Geschäftshaus der 1950er Jahre dar und dokumentiert anschaulich architektonische Tendenzen der Nachkriegszeit. Bauherren und Architekten leisteten mit der Errichtung des Gebäudes einen entscheidenden städtebaulichen Beitrag zum Wiederaufbau Mülheims und schufen mit dem Hochhauskörper einen das Stadtbild prägenden Akzent. Die Stadtsilhouette erhielt mit dem Rieken-Haus ein weiteres Gebäude, dessen Höhenentwicklung innerhalb des Stadtzentrums in Konkurrenz zum historischen Rathausturm vom Anfang des 20. Jahrhunderts tritt. Stilistisch prägen die Architektur des Rieken-Hauses sowohl moderne als auch konservative Gestaltungselemente. Verweisen das Skelettbau-Konstruktionsprinzip und die daraus resultierende Addition gleicher Raumeinheiten – so an der Wohngeschoss-Zone des Rieken-Hauses vor allem an der Längsfront ablesbar – auf eine moderne Architekturauffassung, sind am Gebäudekörper dennoch auf traditionelle Gestaltungsprinzipien auszumachen. Die Fassadenverklinkerung, die klassische Gliederung des Baukörpers, der eine „Basis“ (Erdgeschoss und Büroetage) und eine „Attika“ (Staffelgeschoss) aufweist, die lisenenartige Fassung des Baukörpers an den Gebäudeecken, die der Außenhaut des Gebäudes ein Relief verleiht, die Rahmung der Fensterbänder im 1. OG und paarweise Gruppierung der Fensteröffnungen an den Schmalseiten, all diese Gestaltungselemente sind geprägt von einer akademischen Architekturauffassung. Das Zitieren klassischer Ordnungselemente, der Verzicht auf Transparenz und konsequentes Sichtbarmachen des Konstruktionsprinzips bei der Fassaden-gestaltung weisen das Gebäude als Nachkriegsbau aus, der die konservative Architekturströmung der 1950er Jahre repräsentiert. Das in Licht-Schattenspiel aufgelöste Staffelgeschoss, das weit überkragende Flachdach mit konkaver Schwingung, gerundete Eckausbildungen, ein unregelmäßiger Grundriss, der städtebaulich wirken will, stellen typische Elemente der 1950er Jahre Architektur dar. Architekturtheorie und städtebauliche Konzepte der Nachkriegsjahre operierten mit Schlüsselbegriffen wie „Schwingung“, „fließender Raum“, „aufgelockerte Stadt“, die zur Schaffung eines neuen Lebensgefühls betragen sollten. Mit der Vorstellung einer rhythmisch gegliederten „Stadtlandschaft“ wurde eine bewusste Abkehr vom axial ausgerichteten, hierarchischen Ordnungsprinzipien folgenden Städtebau des Dritten Reiches einerseits und den unübersichtlich, verschachtelten Strukturen vergangener Epochen vollzogen. Dass die Architekten auch die städtebauliche Inszenierung und Wirkung des Gebäudes im Blick hatten, zeigt sich an dem über unregelmäßigem Grundriss errichteten, dem Hochhauskörper asymmetrisch vorgesetzten Anbau auf der freiliegenden Südseite des Hochhauses, dessen bescheidenes Bauvolumen seine städtebauliche Wirksamkeit auf den ersten Blick verbirgt. Der Anbau bildet zum einen aufgrund seiner Geschossigkeit und seiner „Verschwenkung“ einen nahtlosen Übergang zur angrenzenden, 3-geschossigen Nachbarbebauung der 1950er Jahre, er fungiert zum anderen als „Sockel“ für das dahinter aufragende Hochhausgebäude und er steigert schließlich durch den Kontrast der Geschossigkeit die aufstrebende Wirkung des Hochhauskörpers, die durch den entstandenen Vorplatz noch zusätzlich betont wird. Die Neuinterpretation räumlicher Kontexte in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, deren Grundsatzdiskussion von Begriffen wie Rhythmus, Bewegung, Asymmetrie bestimmt wurde, findet im Rieken-Haus ein Zeugnis von hoher Authentizität und zeittypischer städtebaulicher Wirkung. Das Rieken-Haus hat darüber hinaus Zeugnischarakter für die Handels- und Wirtschaftsgeschichte Mülheims nach dem 2. Weltkrieg, waren doch die Brüder Wilhelm und Walter Rieken stadtbekannte Kaufleute, deren Name aufgrund der Namenslegung des Gebäudes nach beinahe 60 Jahren noch lebendig ist. Das Hochhausgebäude ist bedeutend für die Geschichte des Menschen als Zeugnis für die Architektur des Wiederaufbaus und städtebaulich wirksame Dominante der 1950er Jahre. Das Rieken-Haus ist außerdem bedeutend für die Stadt Mülheim, da es als Wohn- und Geschäftshaus einer stadtbekannten Mülheimer Kaufmannsfamilie eine bestimmte architekturhistorische Epoche der Nachkriegszeit dokumentiert und einen entscheidenden städtebaulichen Akzent im Mülheimer Stadtzentrum bildet. Für die Erhaltung und Nutzung des Objektes liegen wissenschaftliche, insbesondere architektur- und ortshistorische sowie städtebauliche Gründe vor.“ (Zitat) Das Gebäude in seiner Gesamtheit ist somit aus architektur-, ortshistorischen sowie städtebaulichen Gründen ein Baudenkmal im Sinne des § 2 DSchG NW, an dessen Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht.

Unterschutzstellungsdokument: 
INSPIRE: 
DE_05117000_A_DL-0658