Haus der Stromwirtschaft – Verwaltungsgebäude Delle 50/52 (1955-56)

Laufende Nummer: 
663
Eintragung: 
26. Februar 2014
Denkmalart: 
Baudenkmal
Klassifikation: 
cultural
Straße, Hausnummer: 
Delle 50/52
Kurzcharakteristik und Würdigung: 

Viergeschossiges Verwaltungsgebäude 1955/56 für die „Gesellschaft für Stromwirtschaft“ errichtet - Name „Haus der Stromwirtschaft“ bis heute erhalten; Planung: Bauabteilung „Westdeutsche Wohnhäuser GmbH“, Duisburg. Verwaltungsgebäude mit Originalfassade, erhaltener innerer Gebäudestruktur sowie erhaltenen Fenstern, Türen, Treppen, Aufzug und den ursprünglichen Außenanlagen. Bestandteil des Baudenkmals bilden das Gebäude und die davor liegende Grünfläche samt Einfriedung. Lage Das 4-geschossige Verwaltungsgebäude im Mülheimer Stadtzentrum liegt auf einem schmalen, langgestreckten Grundstück an der Ecke Delle/Ruhrstraße. Von der Straße durch einen breiten Grünstreifen abgesetzt, folgt die konvex geschwungene, durchfensterte Süd- und Hauptfassade des Gebäudes der leichten Biegung der Straße Delle und leitet in das Grün des östlichen Ruhr-ufers über. Baukörper mit drei Vollgeschossen über dem Sockelgeschoß und Staffelgeschoss als Abschluß. Gesimsartig vorspringende Kragplatte setzt Dachgeschoß von den Vollgeschossen ab; um 1,50 m zurückgesetztes Staffelgeschoss von einem auf schlanken Säulen ruhenden Flachdach beschattet. Fassade der Hauptfront durch hochrechteckige, gleichmäßig große Fensteröffnungen im EG sowie im 2. und 3. OG strukturiert, die sich bis ins Sockelgeschoss fortsetzen und durch Naturstein-Pfeiler und Riegel eingefasst werden. Filigrane Brüstungsgeländer an Fensteröffnungen der Vollgeschosse und Balkongeländer am Staffelgeschoß verleihen der Fassade Leichtigkeit. An Gebäudeecken wird die 16-achsige Fensterabfolge durch glatte Wandscheiben mit Natursteinverblendung eingefasst. Westliche, 4-achsige Giebelfront nimmt Struktur der Hauptfassade auf; im Sockelgeschoß ein Garagentor mit rechts davon angeordneter Tür. Das Staffelgeschoß ist hier ebenfalls über die gesamte Hausfront. Östliche Giebelfront durch großflächiges, zurückspringendes Fensterband aus Glasbausteinen dominiert, welches das Treppenhaus belichtet; Staffelgeschoß hier nur über der glatten Wandscheibe links vom Fensterband weitergeführt. An nördlicher Grundstücksgrenze bildet das Rückgrat des Gebäudes eine geschlossene Brandwand, die unmittelbar an die historische Bebauung in der Ruhrstraße grenzt und geknickt verläuft. Asymmetrisch an der rechten Gebäudehälfte angeordneter Haupteingang mit vorgelagerter Treppenanlage, 3 Fensterachsen breit und durch eine weit vorkragende Überdachung akzentuiert. Windfang aus großen Glaselementen, die von schmalen, eloxierten Stahlprofilen eingefasst werden. Beidseits der doppelflügeligen Eingangstür dekorative Blumenvitrinen. Konstruktiv handelt es sich um eine Mischbauweise. Vorderfront aus einer Stahlbeton-Stützenreihe, die übrigen tragenden Elemente Mauerwerk. Drei Schauseiten mit helle Na-turstein- verblendung. Grundrissdisposition des Gebäudes nur im 1. und 2. Obergeschoß geringfügige verändert; die den Gesamtcharakter des Bürogebäudes nicht verfälschen. Eine Bruchsteinmauer säumt die vor dem Baukörper liegende, böschungsartig ansteigende Rasenfläche, die der konvexen Front einen Wirkungs- und Freiraum verleiht – Mauer schafft im Straßenraum Distanz zum Gebäude, inszeniert und präsentiert den Baukörper gleichsam. Da sie für die Inszenierung der Gebäudefassade unverzichtbar ist und in wechselseitiger, dramaturgischer Beziehung zur Wölbung der Gebäudefront steht, bildet die Rasenfläche mit Bruchsteinmauer auch einen Bestandteil des Baudenkmals. Begründung des Denkmalwertes Das o. g. Objekt ist bedeutend für die Geschichte des Menschen als Zeugnis für die Architektur des Wiederaufbaus und städtebaulich wirksame Dominante der 1950er Jahre. Das „Haus der Stromwirtschaft“ ist bedeutend für die Stadt Mülheim, da es als Verwaltungsgebäude eines für Mülheim wichtigen Unternehmens eine bestimmte architekturhistorische Epoche der Nachkriegszeit dokumentiert und ein gebautes Zeugnis für den Typus des Bürogebäudes in ungewöhnlicht original erhaltenem Zustand darstellt. Für die Erhaltung und Nutzung des o. g. Objektes liegen wissenschaftliche, insbesondere architektur- und ortshistorische sowie städtebauliche Gründe vor. Das o. g. Gebäude stellt ein unverändert erhaltenes, bis in Details bauzeitliches und städtebaulich wirksames Verwaltungsgebäude der 1950er Jahre dar und dokumentiert anschaulich architektonische Tendenzen der Nachkriegszeit. Die Gesellschaft für Stromwirtschaft ist eine branchenübergreifende, energiewirtschaftliche Einkaufsgenossenschaft. Sie beschafft für ihre Mitglieder und Kunden Strom und Erdgas und berät in allen Fragen aus dem Bereich der Energiewirtschaft. Die Gesellschaft, die ihren Firmensitz seit ihrer Gründung in Mülheim hat, wurde 1953 in der Rechtsform einer GmbH gegründet, 2012 wurde sie in eine Genossenschaft umfirmiert. Die Wahl des Standortes Mülheim für das Stammhaus des jungen Unternehmens in den 1950er Jahren zeugt von der Anziehung der Stadt als Wirtschaftsstandort, den auch die günstige Lage im Ruhrgebiet begünstigte. -- Lebten bei Kriegsende nur noch 88.000 Menschen in Mülheim, war die Zahl der Einwohner durch Heimkehrer und Flüchtlinge Ende 1945 bereits wieder auf über 125.000 angewachsen. Doch bot sich Mülheim als Leder- und Montanstadt – so waren die Mannesmannröhrenwerke seit 1950 bereits wieder Westeuropas größter Röhrenproduzent - nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht als günstiger Standort an. Die „Stadt am Fluss“ galt auch mit über 50 Prozent Grün- und Waldflächen als ein attraktiver Wohn- und Standort zwischen Düsseldorf und dem Ruhrgebiet. Das Stammhaus und Verwaltungsgebäude der Gesellschaft für Stromwirtschaft verweist auf eine nun beinahe 60-jährige Geschichte des Unternehmens und verkörpert mit seiner Formensprache in vorbildlicher Weise den architektonischen Gestaltungswillen der 1950er Jahre Architektur. Mit seiner typischen Formensprache, die sich in der geschwungenen Form des Baukörpers, dem Flachdach und Staffelgeschoß, einer nicht axial angeordneten Haupterschließung, aber auch in Materialwahl und Konstruktion manifestiert, stellt es ein anschauliches Zeugnis für die Baukunst der Nachkriegsmoderne dar. Architekturtheorie und städtebauliche Konzepte der Nachkriegsjahre operierten mit Schlüsselbegriffen wie „Schwingung“, „fließender Raum“,„aufgelockerte Stadt“, die zur Schaffung eines neuen Lebensgefühls beitragen sollten. Mit der Vorstellung einer rhythmisch gegliederten „Stadtlandschaft“ wurde eine bewusste Abkehr vom axial ausgerichteten, hierarchischen Ordnungsprinzipien folgenden Städtebau des Dritten Reiches einerseits und den unübersichtlichen, verschachtelten Strukturen vergangener Epochen vollzogen. Das Haus der Stromwirtschaft repräsentiert eher die konservative Strömung der Nachkriegsarchitektur, was durch den Verzicht auf radikale Transparenz bei der Fassadengestaltung und konsequentes Sichtbarmachen des Konstruktionsprinzips - wie etwa beim Rasterbau des 1954 von Paul Schneider-Esleben errichteten Mannesmann-Hochhauses in Düsseldorf – manifest wird. Städtebaulich findet aber die Neuinterpretation räumlicher Kontexte in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, deren Grundsatzdiskussion von Begriffen wie Rhythmus, Bewegung und Asymmetrie bestimmt wurde, im Haus der Stromwirtschaft ein Zeugnis von hoher Authentizität und zeittypischer räumlicher Wirkung. Auch der städtebauliche Kontext, der mit der Errichtung des Hauses der Stromwirtschaft geschaffen wurde, ist von denkmalpflegerischem Interesse. Das o. g. Gebäude grenzt unmittelbar an die historische Bebauung in der Ruhrstraße, die als bauliches Ensemble in die Denkmalliste der Stadt Mülheim eingetragen ist; das Gebäudeensemble Ruhrstraße 3, 5, 7 und 9 bildet eine bemerkenswert geschlossene Gruppe von Wohn- und Kontorhäusern aus der 2. Hälfte des 19. bis in den Anfang des 20. Jahrhunderts. Während die Häusergruppe traufständig zur Ruhrstraße ausgerichtet ist, liegt das o. g. Gebäude giebelständig zu dieser und schafft zum einen mit der schmucklosen Front und dem Fensterband aus Glasbausteinen eine Abgrenzung zur historischen Bebauung, gewinnt aber durch Ausrichtung der Hauptfront auf die Delle auch an Wirkungsraum, da sich hier eine platzartige Situation im Straßenraum öffnet. Nobilitiert wird der städtebauliche Gesamtkontext zudem noch durch das schräg dem Bürogebäude aus den 1950er Jahren gegenüberliegende Casino - ebenfalls ein Bau-denkmal, das 1841/1842 in von der 1841 gegründeten Bürgergesellschaft „Gesellschaft Casino zu Mülheim an der Ruhr“ errichtet und als Zentrum des Vereinslebens genutzt wurde; mit dem laubenartigen großen Anbau an der Ostseite des Baukörpers in spätklassizistischer Formensprache tritt die gebauchte Fassade des Hauses der Stromwirtschaft gleichsam in einen Dialog und bildet zudem eine repräsentative moderne Platzfront. Innerhalb dieses städtebaulichen Spannungsverhältnisses, das unterschiedliche Zeitschichten der Mülheimer Stadtentwicklung manifestiert, stellt das Verwaltungsgebäude der „Gesellschaft für Stromwirtschaft“ einen unverzichtbaren Bestandteil dar. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es sich beim Haus der Stromwirtschaft in genanntem Umfang um ein Baudenkmal im Sinne des § 2 DSchG NW handelt, an dessen Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht.

Unterschutzstellungsdokument: 
INSPIRE: 
DE_05117000_A_DL-0663