Uhlenhorst-Reitbahn

Laufende Nummer: 
668
Eintragung: 
15. Januar 2015
Denkmalart: 
Baudenkmal
Klassifikation: 
cultural
Straße, Hausnummer: 
Mülheim an der Ruhr, Broicher Waldweg 183, Uhlenhorst-Reitbahn
Kurzcharakteristik und Würdigung: 

Architekten: Büro Pfeifer & Großmann (Arthur Pfeifer, Hans Großmann) Baujahr: 1929 Bauherr: Broich-Speldorfer Wald- und Gartenstadt A. G. Lage: im Broich-Speldorfer Wald zwischen Mülheim an der Ruhr u. Duisburg im Westen Mülheims; Teil der Broich-Speldorfer Wald-und Gartenstadt; die ab 1928 projektierte Reitbahn liegt auf einem Geländedreieck, das im Norden vom Uhlenhorstweg, im Westen vom Broicher Waldweg und im Süd-Osten vom Ganghofer Weg begrenzt wird. Bestandteile des Baudenkmals: Zentral liegende, rechteckige "offene Reitbahn", an der Ostseite säumende „gedeckte Reithalle" mit zugehörigen Seitenflügeln, das „Haus des Institutsleiters“ mit anschließenden Toranlagen u. ehemaligen Garagenbauten auf der Westseite des Platzes, der Stallungsflügel an dessen Nordseite, die zwischen Stalltrakt und gedeckter Reithalle im Nordosten der Anlage liegende Freifläche, auf der sich die Dunggrube befindet. Großteil der originalen Innenausstattung der einzelnen Gebäude erhalten (s.u.) Nicht Teil des Baudenkmals sind: der auf der Rückseite der Halle 1955 errichtete, eingeschossige, unterkellerte Erweiterungsbau des ,,Reitbahncasinos", die Stallungen an der Südseite des Reitplatzes und im südlichen Seitenflügel der „gedeckten Reithalle", die in neuerer Zeit und mit Außenboxen errichtet wurden. Beschreibung Ideale Lösung einer um einen zentralen Hof gruppierten Anlage, auf Grundlage des zur Verfügung gestellten Geländes; weitgehend symmetrisch, aus mehreren Gebäudeteilen bestehend: Kern der Anlage ist die 37m x 75m große „offene Reitbahn“ ursprünglich durch eine Hecke vom befestigten inneren Autoweg abgetrennt. Kopf- und Ostseite der „Reitbahn“, nimmt die „gedeckte Reithalle" ein. Zur Bauzeit mit einer Bahn von 44m x 22m eine der größten Bahnen Deutschlands. Die Reithalle nimmt fast die gesamte Längsseite der Anlage ein. Beidseits des flach gedeckten Baukörpers 1-geschossige Flügelbauten als Übergang zu den Stallungen, deren Fassaden gegenüber der Reithallen-Fassade zurückspringen. Südlicher Flügel ausgeführt, obwohl der Stallungsflügel auf der Südseite nur optional als Erweiterung vorgesehen war. Der Reithalle gegenüber auf der Westseite in der Mittelachse der Anlage am Broicher Waldweg zwischen den breiten Ein- und Ausfahrtstoren liegt das Wohngebäude des ehemaligen ,,Institutsleiters". Beidseits der Tore Garagen als Verbindungsbauten zu den Stallungen und Begrenzung der Ostseite der Anlage; für die Automobile der Reiter, mit denen sie zur Reitbahn fuhren - heute zu Stallungen umgebaut. Nordseite der Reitbahn gesäumt durch Gebäudeflügel mit Stallungen; nach damaligem Platzbedarf mit 15 Boxen und Ständen Raum für die Unterstellung von 40 Pferden. Ein auf der Südseite projektierter Stallungsflügel ist nicht mehr ausgeführt worden, die Seite jedoch in jüngerer Zeit mit einem Stalltrakt geschlossen worden. Er ist kein Bestandteil des Baudenkmals. Zur Gestaltung incl. Materialität haben sich die Architekten in ihrer Baubeschreibung folgendermaßen geäußert: „Die Anlage selbst wird in gutem erstem Material ausge führt und in ruhiger monumentaler Wirkung gehalten. An den Außenflächen wird der lebhaft wirkende Klinker der Graf v. Spee'schen Werke mit silbergrauem Putz wirkungsvoll abgesetzt und zur Straße hin gesteigert. Autoboxen und Vorsteherhaus wird nur in Klinker verblendet. Die Innenausstattung des Stallgebäudes erfolgt gleichfalls nach den neuesten Erfahrungen von der Hedwigshütte in Viersen und wird durch reichliche Verwendung von Messingteilen und Plättchenverkleidung wirkungsvoll unterstützt." Das Zusammenspiel von Materialität und Gestaltungskonzept wird an den Einzelbauten vor allem durch die architektonische Gestaltung der Fassaden deutlich. Wohnhaus des “Institutsleiters" 2-geschossiges, unterkellertes Backsteingebäude über rechteckigem Grundriss, mit einem mit Dachgauben besetzten Walmdach. Giebelständig zum Broicher Waldweg und zur Reithalle. - Gebäudefront zum Broicher Waldweg mit zwei Fensterachsen - Öffnungen mittig zusammengerückt, so dass Fassade gestalterisch dreigeteilt und die breiten äußeren Klinkerflächen die Fensterachsen einfassen. Öffnungen im 1. OG als Fenstertüren; zusammengefasst durch schmalen Balkan mit horizontal gegliedertem Geländer in zeittypischer Formensprache. Östliche, hofseitige Giebelfront in beiden Geschossen dreiachsig; durch hochrechteckige Fensteröffnungen rhythmisiert. Traufseiten 4-achsig, Südseite im OG 3-achsig, wobei die Fensteröffnungen am westlichen Gebäudeteil gruppiert sind, während der östliche, in den Hofbereich hineinragende Gebäudeteil als breite Fläche belassen wurde. Fensterformate entsprechen denen der Ostfront. Hauseingang mit originalem Türblatt an nördlicher Traufseite, in 2. Achse von rechts; Parallel zur Hausfront, zum Hauseingang führende Treppe durch niedrige Mauer mit aufgesetztem Geländer begrenzt. Zum Platz hin Mauer, die als Teil der Toranlage senkrecht auf den Baukörper, mittig zwischen die Fensterachsen, stößt. Das Innere des Gebäudes weitgehend original erhalten. Die schlicht gestaltete Holztreppe, Türgewände, Türblätter, Fliesenfußboden, Gusseisen-Heizkörper stammen aus der Erbauungszeit; Fensterrahmen im gesamten Gebäude sind weitgehend erneuert. Ehemalige Garagen und Hauptstallgebäude Zum Broicher Waldweg Erscheinungsbild einer geschlossenen Front der Gesamtanlage; Flügel der ehemaligen Garagen bilden mit ihrer rückwärtigen Mauer, die nur durch eine Reihe schmaler, hochrechteckiger Fensterschlitze rhythmisiert wird, eine massive Abgrenzung. Zum Reitplatz hin ursprünglich große Öffnungen, zwischen denen schlanke Mauerwerkspfeiler einzelne Stellplätze abgrenzten. Die Garagen sind heute geschlossen und zu Pferdeställen umfunktioniert. Die ehemalige Grundstruktur der Garagenanlage ist durch die schlanken Mauerwerkspfeiler jedoch bis heute ablesbar. Der Stallungsflügel auf der Nordseite bildet mit seiner Giebelfront die nord-westliche Ecke der Straßenfront der Anlage am Broicher Waldweg; der 2-geschossige, flach gedeckte Bau ist mit verklinkertem Erdgeschoß eine Fortsetzung der eingeschossigen Garagenbauten und bildet somit gestalterisch einen Bestandteil der Einfriedung der Gesamtanlage. Mittige Erschließung des Stallgebäudes zum Broicher Waldweg über Giebelfront, darüber 8 hochrechteckige, gleichmäßig angeordnete Fensteröffnungen - Belichtung der Sattelkammer - Sturz bis zur verputzten Fläche des OG, heute mit Glasbausteinen geschlossen. OG - mit ehemaliger Wohnung des Futtermeisters - auf verputzter Giebelfront 3 hochrechteckige Fensteröffnungen. Gestaltung des Baukörpers, wie an Giebelfront des Stallgebäudes beschrieben, an langgestreckter Traufseite zum Reitplatz hin fortgesetzt. Band des verklinkerten Erdgeschosses und des kontrastierenden verputzten Obergeschosses über die gesamte Länge des Gebäudes konsequent durchgeführt. Damit dezidierter Einsatz der Horizontale als Gestaltungselement. Lagerndes Moment beim Stallgebäude kontrastierend dem des Aufstrebens bei der großen Reithalle entgegengesetzt. Langestreckte Trauffront im Bereich der Wohnung des Futtermeisters von zwei hochrechteckigen, paarweise zusammenstehenden Fensteröffnungen durchbrochen; im weiteren Verlauf OG rhythmisiert durch vier hochrechteckige, bis zur Geschoßdecke reichende Öffnungen und querrechteckige, schmale Mauerschlitze. Östliche Giebelfront im OG ebenfalls verputzt, ohne Öffnungen. Nördliche, rückwärtige Traufseite backsteinsichtig; alle Öffnungen mit Glasbausteinen geschlossen. Zitat Werbeschrift zur Uhlenhorst-Reitbahn (Institutsleiter Major a. D. Erlenwein benannt und mit Verweis auf die Geschäftsbedingungen): „Luft und Platz war die Richtschnur, nach der die Firma Pfeifer und Großmann die Uhlenhorst-Reitbahn entworfen und ausgeführt haben. So sind die Ställe 1,80 m breit, die Boxen 3 m im Geviert, die Stallgasse weist eine erhebliche Breite von 4 m auf. Dieser helle hohe Raum erhält noch etwas besonders Freundliches durch den hellgrünen Anstrich der Eisenkonstruktion. An der Westseite des Stalles sind die Sattellkammern und die Schlafräume für das Stallpersonal eingebaut, im oberen Stockwerk befindet sich eine Verheiratetenwohnung für einen Futtermeister." Stallgebäude im Inneren weitgehend original erhalten. Boxen weisen die ursprüngliche Unterteilung auf, zum Gang hin halbhohe Türen ergänzt. Reihung mit abwechselnd halbhohen und tragenden Stützen prägt bis heute den Innenraum, ebenso wie die geschwungenen Gitter zwischen den einzelnen Boxen oberhalb der Holzverschalung. Im OG des Stallgebäudes lagernde Vorräte für Tierfutter und Stroh konnten über Klappen im Boden in den Stallbereich transportiert. Sattelkammer am Ende des Stallbereiches ist mit ihrer gesamten Ausstattung noch bauzeitlich erhalten. Außerhalb des Stallungstraktes in nord-östlicher Ecke der Anlage auf der Nordseite der ,,gedeckten Reithalle" angelegte Dunggrube. Reithalle Dominantestes Gebäude der Anlage ist auf der Ostseite des Reitplatzes die 23 m hohe Reithalle mit leicht geneigtem Walmdach. Monumentaler Charakter der symmetrisch gegliederten Fassade der Trauffront durch 17 schlanke, hochrechteckige Fensteröffnungen - Rahmen nicht mehr original - und Abfolge der 15 dazwischen liegenden, verklinkerten Mauerpfeiler, die bis zur Höhe der Fensterstürze aufragen. Sie strukturieren die Fassade, verleihen der Wand Relief, durch Licht-Schattenspiel Lebendigkeit, und dem Baukörper mit sparsamen Mitteln repräsentatives Äußeres. Der Höhenentwicklung und Massigkeit der Reithalle gestalterisch entgegengewirkt durch Einsatz verklinkerter und verputzter Wandpartien. Wand in Fenster-Pfeiler-Zone großflächig verklinkert, eingefasst von Putzflächen, einem schmalen Wandstreifen entlang der Traufe und breiten Wandpartien an den Außenseiten, bis zur Höhe des Eingangsvorbaus heruntergeführt - zur Akzentuierung der Gebäudeecken. Eingang zur Reithalle in Mittelachse des Baukörpers; doppelflügeliges Holztor überdacht von 1-geschossigem, 3 Fensterachsen breitem Vorbau mit gerader Deckenplatte über Backsteinpfeilern. Beidseits der Reithalle 1-geschossige Seitenflügel; vom nördlichen Seitenflügel Übergang in den historischen Stalltrakt. Stalltrakt war optional auch auf der Südseite geplant, daher zur Wahrung der Symmetrie 1929 Seitenflügel auf der Südseite ausgeführt. Geviert im Süden später durch Stalltrakt mit Außenboxen, nicht mit Mittelgang ergänzt wurde, somit Zugang zum Stalltrakt vom Seitenflügel der Reithalle aus nicht notwendig. Dieser Seitenflügel ist umgebaut und mit Außenboxen versehen worden, so dass die Originalsubstanz der Anlage hier gestört ist. Schmalseiten und Rückfont der Reithalle - bis auf die Toranlage mit Vorbau - entsprechen gestalterisch der platzseitigen Vorder- und Hauptfront, hier ebenfalls Rhythmisierung durch Wandpfeiler und Wandgestaltung durch Backstein- und Putzflächen. Südliche Stirnseite ohne Fensteröffnungen. An nördlicher Stirnseite mittig 5 Fensterachsen, die im Erdgeschoß hochrechteckiges, im Obergeschoß querrechteckiges Format haben. Alle Fensterrahmen sind erneuert. - Im Kontext mit der Erweiterung des Reithallen-Casinos 1955 wurde auf der Rückseite der Halle ein 1-geschossiger, unterkellerter Anbau mit leicht geneigtem Satteldach angebaut. Er bildet keinen Bestandteil des Baudenkmals. Zeitgleich wurden an dieser Stirnseite der Reithalle zum Anbau hin im EG ein Fenster und eine Fenstertür, als Zugang zum Außenbereich (Terrasse), eingebaut. Der Innenraum der Reithalle erscheint durch die hohen Fensteröffnungen an den Längsseiten lichtdurchflutet. Auf der Nordseite der Halle befindet sich eine Empore mit darunterliegendem Gastronomieraum, von dem aus während der kalten Jahreszeit Zuschauer Veranstaltungen von einem geheizten Raum aus verfolgen konnten. Alle Treppen und Geländer in der Reithalle im Original erhalten. Der „Antrittspfosten" wird durch eine Scheibe mit aufgesetzter Kugel akzentuiert. Die Metallgeländer in der Reithalle mit schlanken quadratischen Senkrechtstäben und rechteckigen dünnen horizontalen Stäben sowie dem aufgesetzten Holzhandlauf sind typisch für die Bauzeit. Ebenfalls erhalten ist ein Großteil der Türen. Begründung des Denkmalwertes Die Uhlenhorst-Reitbahn ist bedeutend für die Geschichte des Menschen und die Stadt Mülheim. Die Uhlenhorst-Reitbahn ist bedeutend für die Geschichte des Menschen als Zeugnis für eine Reitsportanlage der späten 1920er Jahre; die Gebäudegruppe, zwischen den Weltkriegen entstanden, steht mit ihrer aus den Gesetzmäßigkeiten des Reitsports resultierenden Typologie in Wechselwirkung zu sozialen und topographisch bedingten Gegebenheiten des Ruhrgebiets - hier speziell der Stadt Mülheim. - Aufgrund der historischen Konstellationen in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts und der Entwicklung des Ruhrgebiets (Raum Mülheim, Duisburg, Essen etc.) zu einem pulsierenden Zentrum der Industrialisierung, war hier eine wohlhabende Oberschicht ansässig, deren wirtschaftlicher Erfolg sich auch in einem nicht zuletzt der Repräsentation dienenden großbürgerlichen Lebensstil manifestierte, zu dem auch der Reitsport gehörte. Da die „fortschreitende Entwicklung der neuzeitlichen Verkehrsmittel“ den Reiter von den Straßen der Großstadt verbannt" hatte, versprach man sich von einem Institut in Waldlage unter fachkundiger Leitung, mit allen Vorteilen für Mensch und Tier, eine hohe Akzeptanz und wohlwollende Nutzung. Vor allem einer wohlhabenden Unternehmerschicht sollte das „Reitinstitut" – sozusagen als werbewirksame Maßnahme - die Attraktivität des Wohnens am Mülheimer Stadtrand vor Augen führen. Bedeutung für die Stadt Mülheim Mit dem Projekt einer Gartenstadt mit ausschließlich repräsentativen Villenbauten förderte die Broich-Speldorfer Wald- und Gartenstadt A. G., tatkräftig unterstützt von der Mülheimer Stadtspitze, ab 1906 den Zuzug einer wohlhabenden Klientel. Da im Broich-Speldorfer Waldgebiet zwischen Duisburg und Mülheim Grundstücke von ausreichend großzügigem Zuschnitt zur Verfügung standen und die Erwartungen an das Projekt hoch gesteckt waren, hoffte man mit der Errichtung der Uhlenhorst-Reitbahn auch ein attraktives Angebot an die dem Reitsport verbundene, noch unentschlossene Bauherrenschaft machen zu können. Die Uhlenhorst-Reitbahn, für deren Konzeption ein in Mülheim angesehenes und bei vielen wichtigen innerstädtischen Projekten involviertes Architektenteam tätig war, stellt ein unverzichtbares Beispiel für die Bauaufgabe ,,Reitbahn" in Mülheim dar. Im Kontext mit dem vor dem 1. Weltkrieg initiierten Projekt der Broich-Speldorfer Wald- und Gartenstadt dokumentiert das zwischen den Weltkriegen errichtete „Reitinstitut" in anschaulicher Weise den Lebensstil einer vermögenden Oberschicht und beleuchtet einen speziellen Teilaspekt ihres Freizeitverhaltens. Für die Erhaltung und Nutzung der Uhlenhorst-Reitbahn in Mülheim liegen wissenschaftliche, insbesondere architekturhistorische, bautypologische, ortsgeschichtliche sowie städtebauliche Gründe vor. Die Uhlenhorst-Reitbahn stellt eine nahezu unverändert erhaltene, bis in Ausstattungsdetails bauzeitlich erhaltene Gebäudegruppe dar, die ideale Bedingungen zur Ausübung des Reitsports bot. Ihre Errichtung am Ende der 1920er Jahre markiert den Höhe- und Endpunkt einer Entwicklung bei Reitsportanlagen, die in Deutschland Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Erwachen des Interesses am Reitsport eingesetzt hatte. Das Lebensgefühl, „auf dem Rücken eines Pferdes" durch die freie Natur zu reiten, damit die Adaption von Lebensformen des Landadels, trug auch zur ldentitätsfindung eines Großbürgertums bei, das in städtischen Kontexten gebunden war. Als einzigartiges Beispiel dieses Bautypus mit umfassendem kulturhistorischem Hintergrund hat die Uhlenhorst-Reitbahn einen hohen Zeugniswert. Reitsportanlagen, die auch von vermögenden Mitgliedern großzügig gefördert wurden, boten auch mit ihrem Vereinsleben und ihren regelmäßig stattfindenden Veranstaltungen Gelegenheit für ein reges gesellschaftliches Leben. Die Architekten weisen in ihrer Werbeschrift ausdrücklich darauf hin: „Im Winter, wenn der Aufenthalt auf der offenen Tribüne wegen der Kälte ungemütlich wird, zieht sich der nicht selbst im Sattel tätige Pferdefreund in den abgeschlossenen, gut geheizten Raum zurück, von wo er einen gleichguten Überblick auf alles das hat, was in der Bahn vor sich geht. Hier ist Vorsorge getroffen, dass die Besucher der Reitbahn sich durch Speise und Trank erquicken können. Das Restaurant soll bei Musikreiten und Quadrillen ein Mittelpunkt des geselligen Verkehrs der Reiterwelt werden." In Fachkreisen ist die Reitbahn von Pfeifer und Großmann als realisiertes Projekt positiv aufgenommen worden und hat sogar bald Wertschätzung als mustergültige Gesamtanlage gefunden. Bereits kurz nach ihrer Errichtung ist die Reitsportanlage in Wasmuths Monatsheften für Baukunst, die dem Fachpublikum im Vergleich zu den avangardistischen Publikationen eher eine Mischung aus traditioneller und modernistischer Architektur darbot, publiziert worden. Gleichsam als „Idealplan" einer Reitsportanlage hat die bautypologische Ausbildung und Grundrissdisposition der Anlage mit zentral gelegener offener Reitbahn und um diese gruppierten Funktionsbauten 1936 Eingang in Ernst Neuferts in erster Auflage erschienene ,,Bauentwurfslehre" gefunden. Der Grundriss der Anlage ist dort – wie tatsächlich ausgeführt - ohne südlichen Stallflügel abgebildet, zudem weist die „gedeckte Reithalle" eine veränderte Eingangssituation mit mittig angeordnetem, repräsentativem Portikus über halbrundem Grundriss auf. Abweichend zur ausgeführten Anlage in Mülheim weist die gedeckte Reithalle zum Reitplatz hin einen Trakt mit ebenräumen auf. Pfeifer und Großmann haben mit der Uhlenhorst-Reitbahn eine Anlage geschaffen, die sich wohl an bereits bestehenden Anlagen wie der Essener Reitsportanlage von A. Fischer aus dem Jahre 1892 orientierte, die von ihnen aber in optimierter, zeitgemäßer Form verändert, modifiziert und zum "Idealtypus" weiterentwickelt wurde. Nach dem 1. Weltkrieg hatte die gesamte Verkehrsentwicklung eine Richtung eingeschlagen, die dem Reiten in unmittelbarer städtischer Umgebung nicht förderlich war. „Und wirklich, es ist kein Genuss, sich auf einem jungen, ängstlichen Pferde zwischen Autos und elektrischen Bahnen zu bewegen, die auf den Pferdemann weder Rücksicht nehmen wollen, noch es überhaupt können. Fast alle zur Zeit bestehenden Reitinstitute stammen aus der Vorkriegszeit; seitdem hat der Verkehr gewaltige Fortschritte gemacht, die Stadtgrenzen sind um viele Kilometer nach außen verschoben worden. Ritt man früher auf relativ ruhigen Wegen in einem Viertelstündchen ins Freie hinaus, so braucht man heute dazu eine Stunde und mehr. Hinzu kommt, dass vielfach die früheren Reitwege verschwunden sind und man sich über glatten, schlüpfrigen Asphalt bewegen muß." Die Uhlenhorst-Reitbahn bot dem anspruchsvollen Großbürger alle Vorteile, die man von einem solchen Institut erwarten kannte: eine kompetente Leitung, Unterricht durch erfahrene Reitlehrer, beste Unterkunftsmöglichkeiten für eigene Pferde; und mit den zur Verfügung gestellten Garagenstellplätzen konnte "den Autos Unterkunft" geboten werden, „während ihre Besitzer im Sattel sind." Mit den Architekten Pfeifer und Großmann, einer Büropartnerschaft, deren Erfolg sich gerade aus der Verschiedenartigkeit der Persönlichkeiten ergab und die früh zu einer eigenständigen, von persönlicher Haltung geprägten Schaffensweise gelangte, hatte die Broich-Speldorfer Wald- und Gartenstadt A. G. für die Projektierung der Reitbahn ein Architektenteam beauftragt, das zum damaligen Zeitpunkt bereits zahlreiche, städtebaulich bedeutende Bauten in Mülheim realisiert hatte. Das Architekturbüro Pfeifer und Großmann war eine Sozietät der Architekten Arthur Pfeifer (1878-1962) und Hans Grossmann (1879-1949). Großmann absolvierte sein Architekturstudium an der ETH Zürich, Pfeifer an der Technischen Hochschule Karlsruhe und in Berlin. Beide lernten sich 1905 während eines Praktikums bei Prof. Hermann Billing kennen. Im Anschluss an diese Zeit gründeten sie ihr gemeinsames Büro unter dem Namen „Atelier für Baukunst, Gartenbau und Kunstgewerbe" in Karlsruhe, das bis etwa 1950 bestand. Das Aufgabenspektrum ihrer Architektengemeinschaft war sehr breit angelegt, sie schufen nicht nur Wohn- und Verwaltungsgebäude, sondern auch Brücken, Wassertürme, Erholungsheime, Schulen u. a. mehr. Wegen der zahlreichen bedeutenden Aufträge in Mülheim wurde im November 1918 dort eine Zweigniederlassung gegründet, die Hans Großmann leitete. In Mülheim errichteten Pfeifer und Großmann 1911-1S15 den Rathausbau, 1922-1925 die Stadthalle, 1923-1926 das Wasserkraftwerk Raffelberg und das Wasserkraftwerk Kahlenberg, 1926 das Verwaltungsgebäude für die Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft, 1927 den Wasserbahnhof, 1928-1929 den Hörsaalbau des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Kohlenforschung, nach 1929 das Rückpumpwerk Kahlenberg, 1930-1931 das Büro- und Geschäftshaus Lewin. Die Vielseitigkeit der Bauten, die im Mülheimer Atelier unter der Leitung von Hans Großmann geschaffen wurden, ist bis heute stadtbildprägend für Mülheim und ein unmittelbarer Ausdruck der wirtschaftlichen und städtebaulichen Entwicklung des Ruhrgebietes. Die Gebäudegruppe der Uhlenhorst-Reitbahn stellt ein weitgehend original erhaltenes Werk der Architekten Pfeifer und Großmann dar und ist als ein außergewöhnliches und anschauliches Beispiel für den Bautypus einer Reitsportanlage anzusehen. Im Gebäudebestand orientiert sich die Anlage stilistisch an unterschiedlichen architektonischen Strömungen, die man im weitesten Sinne unter dem Begriff „Moderne" zusammenfassen kann. Mit den dominant-strukturierenden Backsteinpfeilern der Reithalle, die als schlichtes Gestaltungsmittel den repräsentativen Charakter des Baukörpers befördern, manifestiert sich die Vertrautheit der Architekten mit der monumentalen Baukunst und dem Backsteinexpressionismus. Die Beherrschung der großen Form haben Pfeifer und Großmann an vielen weiteren repräsentativen Bauten in Mülheim unter Beweis gestellt. Auch Stilelemente der Bauhausarchitektur mit ihrer die Horizontale akzentuierenden Linienführung sind an den Gebäuden der Reitbahn auszumachen. Vor allem aber dokumentieren die Baumeister mit ihrer funktional durchdachten Gebäudegruppe ihre Verbundenheit mit dem Reformierten Bauen. Mit der Verbindung von Funktionalität und gestalterischen Qualitäten, die bis heute ihre Gültigkeit bewahrt haben, folgten Pfeifer und Großmann ihrem an bürgerlich-profanen Bauaufgaben entwickelten Anspruch, ,,in der Baukunst Wahrheit und Sachlichkeit in Schönheit zusammen zu führen". Pfeifer und Großmann gehörten zur Generation der Architekten nach 1900, die sich zunächst intensiv mit der Reformierung des Wohnhauses auseinandersetzten. Das äußere Erscheinungsbild sollte sich aus der Grundrissdisposition des Inneren einfach und folgerichtig entwickeln. Befördert durch die Gründung des Bundes Deutscher Architekten 1903 und des Werkbundes 1907 emanzipierten sich die Architekten von historistischen Fesseln und gaben Impulse für eine allgemeine Diskussion über Grundprinzipien von Wohnbedürfnissen. Hans Poelzig etwa forderte 1906, dass man den Wohnungsbau von seiner äußerlichen Auffassung befreien und von innen her entwickeln solle. Diesem kontextuellen Entwurfsgedanken sahen sich, wie ihre Bauten zeigen, auch die Architekten Pfeifer und Großmann verpflichtet. Von städtebaulicher Bedeutung ist die Uhlenhorst-Reitbahn hauptsächlich im Kontext mit dem Broich-Speldorfer Gartenstadtprojekt, das 1906 initiiert wurde und vorrangig wirtschaftliche Interessen der Stadt Mülheim verfolgte - unter den Gründungsmitgliedern befanden sich hauptsächlich Kaufleute und Fabrikanten. In der Werbebroschüre der AG wird auf die verkehrsgünstige Lage zur Stadt eingewiesen. Zur Erschließung des Gebietes wurden Wege und Straßen angelegt, auch eine Straßenbahnlinie wurde eigens eingerichtet. So wird auch in der Werbebroschüre zur Uhlenhorst-Reitbahn betont, dass diese, trotz ihrer Lage mitten im Wald, in wenigen Minuten von der Endstation der Straßenbahnlinie 11 - Essen - Mülheim - Uhlenhorst - erreichbar sei. Die Gartenstadtidee, ein ursprünglich vom Briten Ebenezer Howard 1898 in England projektiertes Modell einer planmäßigen Stadtentwicklung, war in erster Linie als Reaktion auf die schlechten Wohn- und Lebensverhältnisse sowie die horrend steigenden Bodenpreise in den stark gewachsenen Großstädten entwickelt worden. Sie fand auch in Deutschland starken Anklang, wo bereits ab Mitte des 19. Jahrhunderts ähnliche Vorstellungen bei der Gründung großer Villenkolonien für das Bürgertum entwickelt worden waren. 1902 wurde in Berlin die Deutsche Gartenstadt-Gesellschaft gegründet, deren Ziele vor allem in einer weiträumigen und niedrige Bauweise mit Zugang jeder Wohneinheit zum eigenen Garten sowie einer genossenschaftlichen Grundstruktur bestanden. Bei der Broich-Speldorfer Wald- und Gartenstadt AG dagegen standen keine sozialreformerischen Ziele im Focus. Um den waldartigen Charakter des Gebietes wahren zu können, mussten die Grundstücke eine bestimmte Mindestgröße einhalten, eine Parzellierung unter fünf Morgen war lediglich an den Rändern der Siedlung angedacht. Nur 10 % der Grundstücksfläche durften überhaupt bebaut werden. Um den Ankauf großer Grundstücke zu ermöglichen, war der Grundstückspreis auch relativ niedrig angesetzt worden. Der als Experte hinzugezogene Berliner Architekt Hermann Muthesius, Mitbegründer des deutschen Werkbundes, einflussreicher Theoretiker der „modernen" Architektur und bedeutendsten Verfechter der Gartenstadt in Deutschland, bescheinigte daher: ,,Mir ist kein zweites Unternehmen in Deutschland und in anderen Ländern bekannt, das so auf die jetzt einsetzende Bewegung zugeschnitten wäre, wie die Broich-Speldorfer Wald- und Gartenstadt. In einer wirklich großzügigen Weise ist hier dafür gesorgt, dass die Grundstücke in einem Umfange erhalten bleiben, der den Waldcharakter vollkommen wahrt". Trotz der so günstigen Bedingungen und der sorgsamen Vorbereitung und Planung, zu der viele bekannte Künstler wie Gartenbaudirektor Fritz Enke, Köln, Prof. Wilhelm Kreis, Düsseldorf, Prof, Karl Henrici, Aachen, Gartenbaudirektor Julius Trip hinzugezogen wurden, kamen nur drei große Landhäuser im Mülheimer Wald und einige kleinere Villen am Uhlenhorstweg und am Worringer Reitweg zur Ausführung. Das erste große Landhaus auf dem Gebiet der AG, der im Stil eines niedersächsischen Bauernhauses errichtete Streithof von Emil Kirdorf, war 1907 entstanden. Das Landhaus von Fritz Thyssen wurde 1910-1911 vom Krefelder Architekturbüro Girmes & Oediger in englischem Landhausstil errichtet. 1913 ließ auch Gerhard Küchen, ein Cousin von Hugo Stinnes und wie er Enkel von Mathias Stinnes, am Uhlenhorstweg ein großes Herrenhaus nach englischem Vorbild vom Mannheimer Villenarchitekten Rudolf Tillessen errichten. Der Ausbruch des 1. Weltkrieges verhinderte die für den 1. August 1914 projektierte Grundsteinlegung, mit der Gartengestaltung war bereits 1913 begonnen worden. Lediglich zwei Pförtnerhäuser und das Palmenhaus mit Gewächshäusern sind erstellt worden, das Teehaus befand sich noch im Rohbau und ist später vollendet worden. Mit der Errichtung der Uhlenhorst-Reitbahn 1929 wurde ein werbewirksamer Versuch unternommen, Grundstücke an eine vermögende, der Reiterei verbundene Klientel zu veräußern und das Projekt der Broich-Speldorfer Gartenstadt AG doch noch zum Erfolg zu führen. - An die baulichen Aktivitäten vor dem 1. Weltkrieg konnte Ende der 1920er Jahre nicht mehr Ungeknüpft werden, der erhoffte Erfolg blieb aus - wahrscheinlich auch geschuldet der Weltwirtschaftskrise von 1929. Offenbar schreckte die Entfernung vom Stadtkern doch viele potenzielle Käufer ab. Das Landhaus im Grünen vermochte es nicht, sich bei den Mülheimer Unternehmern als Alternative zur Stadtvilla zu etablieren. Im Jahr 1933 wurde die Aktiengesellschaft schließlich aufgelöst. Als positiver Nebeneffekt des Projekts blieb die Sicherung des Uhlenhorstes als Ort der Ruhe und Naherholung für die Mülheimer Bevölkerung und die Uhlenhorst-Reitbahn als Zeugnis für eine vor und jenseits des 1. Weltkrieges architekturhistorisch bedeutende Epoche in der Mülheimer Stadtgeschichte. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es sich bei o. g. Objekt in definiertem Umfang um ein Baudenkmal im Sinne des § 2 DSchG NW handelt, an dessen Nutzung und Erhaltung ein öffentliches Interesse besteht. Das Gutachten des LVR – Amt für Denkmalpflege im Rheinland ist Bestandteil der Unterschutzstellung.

Unterschutzstellungsdokument: 
INSPIRE: 
DE_05117000_A_DL-0668