Siedlung Karlsruher Straße
Architekt: Emil Fahrenkamp, Düsseldorf Bauherr: Arbeiter Spar- und Bauverein Oberhausen Baujahr: 1928-1930 Die viergeschossige, hufeisenförmige Wohnanlage mit ihren langgestreckten Ziegel-Putz-Baukörpern an der Karlsruher Straße, dem Haydnweg und der Hundsbuschstraße ist 1928-1930 nach Plänen des Düsseldorfer Architekten Emil Fahrenkamp für den Arbeiter Spar- und Bauverein Oberhausen errichtet worden. Bestandteil des Baudenkmals Der Denkmalwert erstreckt sich auf die äußere Erscheinung der Blockrandbebauung Karlsruher Straße 18-26, Haydnweg 1-13, Hundsbuschstraße 72-78 sowie auf das Innere der einzelnen Wohnhäuser mit ihrer Innenraumdisposition und ihrer bauzeitlichen Innenausstattung, zudem auf die Vorgärten mit Einfriedung, die Hofdurchfahrt mit Gittertor und die umbaute Freifläche des begrünten Innenhofs. Lage Die o. g. Wohnanlage liegt im Nordwesten Mülheims am historischen Hellweg im Stadtbezirk Linksruhr; der Stadtteil Speldorf, der bereits 1093 als Spelthorpe in einer Werdener Urkunde erstmals erwähnt wird, gehörte im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit zur Herrschaft Broich. Der Speldorfer Ortskern erstreckt sich entlang der Duisburger Straße, von dieser Hauptstraße geht auf Höhe des ehemaligen Bahndepots in Südwest-Richtung die Karlsruher Straße ab, von der wiederum der Haydnweg und die Hundsbuschstraße mit leicht gebogenem Verlauf in nordwestlicher Richtung abgehen. Wesentliche charakteristische Merkmale Bei der o. g. Wohnanlage handelt es sich um eine überwiegend viergeschossige Blockrandbebauung mit versetzten Fluchten, schmalen Vorgärten und begrüntem Innenhof. Auf dem annähernd trapezförmigen Grundstück wurden drei von vier vorgesehenen Flügeln verwirklicht, die entlang Haydnweg und Hundsbuschstraße gebogen geführt werden und - wie an der geraden Flucht der Karlsruher Straße - eine ausgewogene Symmetrie aufweisen. Jeweils eine Zeile aus drei 4-geschossigen Zweispännern in der Mitte der Straßenflucht wird durch Eck- bzw. Endbauten eingefasst oder durch 3-geschossige Zwischenbauten aufgelockert. Die flach gedeckten Putzbauten werden durch Brüstungsbänder aus Backstein und ein Gesimsband über den niedrigen Fenstern des 3. Obergeschoßes streng horizontal gegliedert und durch bis ins 2. Obergeschoß reichende Treppenhausrisalite rhythmisiert. Auch das 3. Obergeschoß, dessen Fensteröffnungen kleiner ausgebildet sind, wird zu Wohnzwecken genutzt. Differierend gestaltet sind die dreigeschossigen, eingerückten Zwischenbauten am Haydnweg. Mit ihren glatten Backsteinfassaden dienen sie bei der durch die Biegung bedingten längeren Flucht des Haydnwegs als symmetrisch gesetzte Zäsuren, die zwischen den Eck- bzw. Endbauten die mittlere Gruppe aus drei Zweispännern flankieren. Am kürzeren Flügel entlang der Hundsbuschstraße ist die Zweispännerzeile zwischen Eck- und Endbau unter Verzicht auf die Zwischenbauten zurückversetzt. Die Zeile zur Karlsruher Straße wird durch Eckbauten aus zwei aneinandergeschobenen Kuben begrenzt, die an der Straßenecke einen kleinen Vorplatz freigeben. Glatter Putz, verbreiterte Fensterformate, über Eck geführte Balkone und Ladenlokale (an der Ecke Karlsruher Straße/Haydnweg zu Wohnzwecken umgebaut) mit Kragdächern akzentuieren die Eckbereiche des Baukomplexes. Die Hauseingänge der einzelnen Häuser, die alle noch die bauzeitlichen Türen aufweisen, sind dort, wo sie nicht in Nischen liegen, mit auf Stützen ruhenden kleinen Vordächern geschützt; nur die Eingänge an den Eckbauten sind größer gestaltet und haben ein Oberlicht. Die hofseitigen Gebäudefronten sind glatt verputzt, einige Wohnungen öffnen sich mit Loggien oder Balkon zum begrünten Innenhof. Der Hof ist von der Hundsbuschstraße aus durch eine Tordurchfahrt zugänglich, die mit einem geometrisch unterteilten Gittern in strenger Formensprache geschlossen werden kann. Die Wohnanlage weist 5-, 3-, 2- und 1-Zimmerwohnungen mit Küche und Bad auf. Geschickt ist der Grundriss der dreiräumigen Zweispännerwohnungen gestaltet: Ein Mittellängsflur erschließt alle Räume; zur Straße sind Küche und Bad mit WC, zum ruhigen Hof die Wohn- und Schlafräume orientiert. Viele Räume sind mit Einbauschränken ausgestattet. Die straßenseitige Einfriedung der gesamten Wohnanlage ist ebenfalls noch bauzeitlich: ein niedriges Metallgeländer sitzt auf einer kleinen Mauer auf, die Eckbereiche der Anlage werden durch beschnittene Hecken akzentuiert. Begründung des Denkmalwertes Die o. g. nach Plänen des Architekten Emil Fahrenkamp errichtete Wohnanlage ist bedeutend für die Geschichte des Menschen und für Städte und Siedlungen, hier insbesondere die Stadt Mülheim an der Ruhr und den Stadtteil Speldorf. Bedeutung für die Geschichte des Menschen. Das o. g. Objekt ist bedeutend für die Geschichte des Menschen als Zeugnis für die Bauaufgabe Wohnungsbau der späten 1920er Jahre. Der Wohnanlage kommt ein Aussagewert für das Leben und die architektonische Gestaltfindung im Zeitraum zwischen den beiden Weltkriegen zu. Zudem dokumentiert es anschaulich die Entwicklung eines bestimmten, im Bereich des Wohnungsbaus relevanten Bautypus: den des Mehrfamilienhauses und des genossenschaftlichen Wohnungsbaus. Mit o. g. Wohnanlage ist dem Architekten Emil Fahrenkamp eine hervorragende, bis heute gültige Lösung der typisch innerstädtischen Bauaufgabe Blockrandbebauung gelungen. Die Wohnanlage an der Karlsruher Straße, am Haydnweg und an der Hundsbuschstraße ist bedeutend für die Stadt Mülheim an der Ruhr, hier insbesondere den Stadtteil Speldorf, da sie als Teil der überkommenen Bebauung den historischen Entstehungsprozess dieses Stadtteils bezeugt. Sie dokumentiert durch ihre Anordnung und Lage in der Örtlichkeit und durch ihre Gestaltung für sich allein und im Kontext der umgebenden Bebauung den historischen Entwicklungsprozess Speldorfs in nicht unerheblicher Weise. Sie veranschaulicht zeugnishaft den Strukturwandel Speldorfs vom landwirtschaftlich geprägten, nur dünn besiedelten Stadtteil zum städtisch geprägten Quartier zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Für die Erhaltung und Nutzung der nach Plänen des Architekten Emil Fahrenkamp errichteten Wohnanlage liegen, künstlerische, wissenschaftliche, insbesondere architekturhistorische, orts-, sowie städtebauliche Gründe vor. Das o. g. Objekt ist in besonderem Maße geeignet, geschichtliche Entwicklungen aufzuzeigen und zu erforschen. Seine Bedeutung folgt aus seinem Wert für die Dokumentation früherer Bauweisen und der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, die in dem Gebäudekomplex und seiner Bauweise zum Ausdruck kommen. Künstlerische Gründe Das o. g. Objekt hat exemplarischen Charakter für eine gestalterisch anspruchsvolle, gelungene Lösung der Bauaufgabe Wohnungsbau im städtischen Bereich und stellt Emil Fahrenkamps einzige im sozialen Wohnungsbau errichtete Siedlung dar. Als Wohnarchitektur stellt es mit seinen abwechslungsreich gegliederten Wohnblöcken, die mit ihren kubischen Volumen städtebaulich wirksam sind, und der in seiner äußeren Erscheinung qualitätvollen Gestaltung mit einer konsequent angewandten Materialität von Backstein und Putzflächen ein herausragendes Zeugnis für die Architektur der ausgehenden 1920er Jahre dar. In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen schuf der Architekt Emil Fahrenkamp mit den Wohnblöcken an der Karlsruher Straße, dem Haydnweg und der Hundsbuschstraße einen Gebäudekomplex, der bis heute seine Gültigkeit bewahrt hat und mit seiner schlichten, jedoch ein hohes gestalterisches Niveau aufweisenden Formensprache im Gesamtkontext der Architektur der 1920er Jahre eine ausgesprochen gelungene Lösung der Bauaufgabe Blockrandbebauung darstellt. Mit der Wohnanlage in Mülheim-Speldorf ist dem Architekten Emil Fahrenkamp eine qualitätvolle, funktionale, baukünstlerisch anspruchsvolle, ästhetisch die Formensprache des Bauhauses adaptierende Lösung im Bereich des Wohnungsbaus gelungen. Emil Fahrenkamp entwickelte das Gebäude aus der Bauaufgabe heraus und schuf eine eigenständige Form, in der sich Funktion als Gestalt-Idee und Architektur als kultureller Mehrwert des Bauens offenbaren. Die Gebäudegruppe stellt ein wichtiges Dokument für das Werk des Architekten Emil Fahrenkamp in den späten 1920er Jahren dar und ist vor allem auch daher bemerkenswert, da sie Fahrenkamps einzige Siedlung im Bereich des sozialen Wohnungsbaus darstellt. Bei den wissenschaftlichen Gründen kommen besonders die architekturhistorischen zum Tragen, da sich das o. g. Objekt für die Erforschung und Doku-mentation der Baukunst zwischen den beiden Weltkriegen als geeignet erweist und ein wichtiges Zeitdokument der Architekturgeschichte darstellt. Ihm kommt somit die Eigenschaft zu, die Entwicklung der Architektur zu dokumentieren, es kommt aber auch als Einzelobjekt und Gegenstand wissenschaftlicher Forschung im Kontext des Oeuvres von Emil Fahrenkamp in Be-tracht. Die Wohnanlage in Mülheim-Speldorf verweist hinsichtlich ihrer Formensprache - Flachdach, streng kubischer Baukörper - auf die Architektur des Neuen Bauens, während die Materialität im Erscheinungsbild - Wechsel von Putzflächen und backsteinsichtigen Architekturelemente - das landschaftsgebundene, niederrheinisch inspirierte Formenrepertoire aufgreift. Im Kontext des genossenschaftlichen Wohnungsbaus stellen beide Gestaltungsansätze am Vorabend des Niedergangs der Weimarer Republik eine ideologisch positiv besetzte Formensynthese dar. Aber auch die dem Reformstil geschuldeten, bequemes Wohnen ermöglichenden Grundrisse der Wohneinheiten zeugen von der hohen architektonischen Qualität der Wohnanlage. Fahrenkamp starb am 24.5.1966 in Breitscheid (heute Stadt Ratingen) als einer der wichtigsten Architekten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland, dessen Industrie- und Wohnbauten zahlreich im Rheinland vertreten sind. Der erkennbare Schüler von Kreis bewies mit seinem Stilpluralismus Vielseitigkeit und Anpassungsfähigkeit an den zeitgenössischen Geschmack und Bedarf. Sein Leben und sein Werk, seine Erfolge in vier politischen Systemen spiegeln exemplarisch die bürgerlich-konservativen Traditionen und Verstrickungen in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts wider. Die Wohnanlage von Emil Fahrenkamp hat auch Zeugnischarakter für den genossenschaftlich begründeten Wohnungsbau in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Die schon vor dem Ersten Weltkrieg herrschende Wohnungsnot verschärfte sich in den Industriestädten nach dem Kriegsende 1918 deutlich. Gegenmaßnahmen der Politik waren einerseits zwangswirtschaftliche Maßnahmen (Wohnraumbewirtschaftung und Mietenkontrolle), andererseits die Förderung des genossenschaftlichen Wohnungsbaus, der in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre eine Blüte erlebte. Der Bauherr der Wohnanlage in Mülheim-Speldorf, der Arbeiter Spar- und Bauverein Oberhausen, verdankt seine Gründung, wie andere Spar- und Bau-vereine auch, soziaverantwortlichen Bürgern und sozialpolitischen Entwicklungen und Entscheidungen. Am 1. Mai 1889 trat „Das Gesetz betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften", kurz Genossenschaftsgesetz in Kraft. Es brachte mehr Rechtssicherheit für Genossenschaften. Durch die Begrenzung der Haftpflicht wurden die Befürchtungen von vermögenderen Mitgliedern ausgeräumt, im Konkursfall für die gesamten Schulden aufkommen zu müssen. In den 1890er Jahren setzte in Deutschland die zweite Phase der Industriellen Revolution ein. Der Gedanke der Selbsthilfe beim Bau von Wohnungen fiel auch deshalb auf fruchtbaren Boden, weil sich das Ruhrgebiet in dieser Zeit zum schwerindustriellen Zentrum des Deutschen Reiches entwickelte und die Wohnungsnot unter den vielen hinzuziehenden Arbeitskräften groß war. Der Wohnungsmangel veranlasste den damaligen Oberhausener Bürgermeister Wippermann, gemeinsam mit führenden Persönlichkeiten einiger industrieller Firmen (GHH, Bergbau AG Concordia und AG des Altenbergs, Vieille Montagne) sowie verschiedenen Bürgern, eine Genossenschaft im Sinne des geltenden Genossenschaftsgesetzes unter Übernahme von Mitgliedsanteilen und einer beschränkten Nachschusspflicht zu bilden. Auch ortshistorische und städtebauliche Gründe sind bei der Bewertung der Wohnanlage an der Karlsruher Straße, dem Haydnweg und der Hundsbuschstraße als Baudenkmal von Relevanz. Speldorf wies bis in die Neuzeit nur eine dünne Besiedlung auf und war hauptsächlich landwirtschaftlich und durch Holzwirtschaft geprägt, entwickelte sich erst gegen Ende des 19. und im frühen 20. Jahrhundert zum städtisch geprägten Stadtteil und zur bevorzugten gutbürgerlichen Wohngegend. Die Blockrandbebauung an der Karlsruher Straße, dem Haydnweg und der Hundsbuschstraße dominiert mit ihrer klaren, abwechslungsreich gegliederten, sich gestalterisch an der Formensprache des Neuen Bauens orientierenden Architektur eindrucksvoll das Ortsbild von Speldorf. Die Gebäudegruppe präsentiert sich zudem als Eckbebauung am Haydnweg und Hundsbuschstraße zur Karlsruher Straße als städtebaulich wirksame Do-minante, die einen architektonisch ansprechenden Bestandteil der Bebauung Speldorfs zwischen dem Ersten und Zweiten Weltkrieg darstellt. Die mit ihren Flachdächern kubisch angelegte Gebäudegruppe, die gestalterisch eine gelungene Synthese aus Putz- und Backsteinbau darstellt, setzt einen unverzichtbaren baulichen Akzent im Ortsbild Speldorfs. Sie dokumentiert darüber hinaus eindrucksvoll, mit welch' hoher Qualität in Material und Form der Wohnungsbau der späten 1920er Jahre aufwartet. Die geschickte Gruppierung der Baumassen, das Versetzen der Baukörper im Zuge der Blockrandbebauung verleihen dem Straßenraum abwechslungsreiche Fassadenabfolgen und tragen zur Auflockerung des Straßenbildes bei. Der ruhige, begrünte Innenhof, der im Sommer zum Verweilen einlädt, trägt wesentlich zur Wohnqualität der Gesamtanlage bei. Da die dem Gebäudekomplex an der Haydnstraße gegenüberliegende L-förmig ausgebildete Wohnanlage, die ebenfalls nach Plänen des Architekten Emil Fahrenkamp von der Gemeinnützigen Bauvereins AG errichtet wurde, durch Sanierungs- und Dämmmaßnahmen bereits starke Veränderungen in ihrem äußeren Erscheinungsbild erfahren hat, ist die Erhaltung historischer, den Stadtteil Speldorf prägender Bausubstanz für dessen Identität von besonderer Dringlichkeit. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die o. g. Wohnanlage an der Karls-ruher Straße, dem Haydnweg und der Hundsbuschstraße in Mülheim an der Ruhr ein Baudenkmal im Sinne des § 2 DSchG NW darstellt, an dessen Erhaltung und Nutzung ein öffentliches Interesse besteht. Das Gutachten des LVR-Amt für Denkmalpflege im Rheinland vom 26.01.2018 ist Bestandteil der Unterschutzstellung. Ebenso der angefügte Lageplan mit Abgrenzung der Siedlung und die anliegende Liste mit Flur und Flurstücken.