Christuskirche
Die evangelische Christuskirche in Mülheim-Saarn ist ein Baudenkmal gem. §2 DSchG NW. Das Denkmal besteht aus der Kirche mit angebauter Sakristei, dem Glockenturm und dem bereits vom Architekten vorgesehenen Vorplatz. Die Christuskirche wurde von dem Duisburger Architekten August Jost 1958/59 errichtet; die Planungen begannen 1957. Sie steht über einem quadratischen Grundriss mit 23 m Kantenlänge. Die vier Seitenwände ragen hoch auf und bilden übergangslos Giebel aus. Die an den Traufen ansetzenden Dächer finden in der Mitte über dem Raum zum höchsten Punkt zusammen, den ein aufgestelltes Kreuz auszeichnet. Die Wände sind innen und außen mit gesandeten Klinkern verkleidet. Die etwa nach Süden ausgerichtete, rechte Seitenwand ist fast vollständig mit Betonformsteinen versehen, die mit farbigen Gläsern ausgefüllt sind (Die Kirche ist mit der Altarwand ungefähr nach Nordosten gewandt, in dieser Beschreibung werden die Himmelrichtungen vereinfacht.). Die nach Norden gerichtete Wand ist teilweise mit verglasten Betonformsteinen versehen. Hier ist vor einem mittig angeordneten, geschlossenen Wandsegment die Sakristei vorgelagert, die mittels eines Ganges mit der Kirche verbunden ist. Das Hauptportal befindet sich zentral in der ganz geschlossenen Westfassade und wird durch eine Umrahmung monumental betont. Die Altarwand weist keinerlei Öffnungen auf. Nordwestlich steht vor der Kirche der Glockenturm als ein Campanile, dessen Außenwände den Kirchenfassaden angepasst sind. Die rotbraunen Klinker der Fassaden sind im Fischgrätmuster vermauert. Diese Wände laufen übergangslos bis zum Boden. Die Traufen sind hell verputzt und bilden oberhalb einer glatten Fläche ein zweifaches Profil aus. Die vier Dachflächen sind ohne großen Überhang aufgesetzt. An den Ecken des Baukörpers sind die Regenfallrohre angesetzt. Das Regenwasser wird an deren oberen Ende in offenen Schalen aufgefangen, die von Wasserspeiern gespeist werden. Die für die Belichtung eingesetzten Betonformstein-Flächen sind mit Betonrahmen eingefasst, die diese Flächen zugleich gliedern und sich übergangslos aus der Putzfläche der Traufen entwickeln. Das Eingangsportal ist vorgezogen und fünffach abgesteppt in die Fassade eingesetzt; es schließt mit einem halbrunden Bogen. Die Stirnflächen des Portals sind mit Fassadenklinkern ausgefüllt, die Rücksprünge sind seitlich mit flachen Natursteinplatten versehen. Das Tympanon ist mit sorgfältig behauenem Naturstein ausgefüllt und mit einer Inschrift aus dem Neuen Testament versehen: ,,EINER IST EUER MEISTER - CHRISTUS MT 23,8". Die Bronzetürflügel des Hauptportals mit Reliefdarstellungen schuf Carl Wynand aus Köln. Der linke Türflügel zeigt Ähren, der rechte Weintrauben. Die Tür ist mit einem Bronzefries umrahmt, dieser zeigt oben Fische und seitlich ornamentalen Dekor. Der Glockenturm erhebt sich ebenfalls über einem quadratischen Grundriss. Für seine Außenwände wurden die gleichen Klinker wie für die Kirchenfassaden gewählt; auch hier laufen die Wände übergangslos zum Boden durch. Der Turm hat in der zum Vorplatz der Kirche gewandten Seite ein scharfkantig eingeschnittenes, halbrund schließendes Eingangsportal. Darüber sind drei schmale Fenster eingefügt; außerdem gibt es mehrere Lichtschlitze für das Treppenhaus. Die Glockenstube ist mit Betonrahmen eingefasst, die auf jeder Seite sechs Flächen ausbilden. In die jeweils zwei mittleren, übereinander angeordneten Flächen sind die hölzernen Schalluken eingesetzt (ursprünglich war die Glockenstube offen, doch hatten sich Schalluken vielerorts als günstiger erwiesen). Auf das flache Pyramidendach des Turmes ist eine kupferne Wetterfahne aufgesetzt. Vor der Kirche breitet sich ein von Anfang an eingeplanter Vorplatz aus (s.u. Baubeschreibung des Architekten). Dieser wird rechterhand von dem älteren Gemeindehaus (1952) und linkerhand dem jüngeren, etwas erhöht liegenden Kindergarten eingefasst, die beide nicht Teil des Denkmalumfanges sind. Die hangabwärts liegenden Flächen seitlich bzw. teilweise hinter der Kirche sind mit einer schlichten Grüngestaltung versehen, die außer einer landschaftlichen Gestaltung keine Einbauten erhielt (s.u. Baubeschreibung des Architekten). Eine aufschlussreiche baugeschichtliche Quelle ist die erhaltene Baubeschreibung von August Jost vom 11.12.1957: ,,Das für den Kirchbau vorgesehene Grundstück ist ein Hanggelände, das an 3 Seiten von Wohnstraßen begrenzt wird. Es hat von Osten nach Westen eine Steigung von rd. 10 m. Auf ihm stehen bereits, zum Lindenhof hin orientiert, das Gemeindehaus und in größerer Entfernung davon am Schneisberg das Pfarrhaus. Die Bebauung mit Wohnhäusern an den das Grundstück begrenzenden Straßen ist zum größten Teil schon durchgeführt. Die allgemeine städtebauliche Situation für den vorgesehenen Kirchbau ist darum als besonders günstig und ideal zu bezeichnen, wobei die Hanglage noch weitere Reize in diese Situation hinein bringt. Die Kirche wurde daher so weit wie möglich im Grundstück nach oben gerückt. An dieser Stelle hat sie nicht nur eine bedeutende städtebauliche Aufgabe zu erfüllen, sondern sie wird auch durch ihre zentrale Form in der umgebenden Landschaft dominieren. Die Kirche bildet mit dem vorhandenen Gemeindehaus und dem projektierten Turm eine Baugruppe, die einen Kirchplatz umschließt, der sich zur Waldbleeke und zum Lindenhof öffnet, wo er durch die Anlage von Stützmauern und Treppenaufgängen bereichert wird. Er ist ein Sammelpunkt für die Gemeinde, die sich hier ungestört vom Verkehr einfinden wird. Das später auszuführende Kindergartengebäude mit seinem Spielgelände (ist) in seiner voraussichtlichen Größe schematisch in den Zeichnungen eingetragen. Für das verbleibende Restgrundstück ist keine Bebauung mehr vorgesehen. Es soll eine landschaftliche Bepflanzung erhalten, wobei nicht an eine gärtnerische Gestaltung durch Anlage von Beeten usw. gedacht ist. Der Grundriss der Kirche ist ein Quadrat von 23 m Seitenlänge. Der klare und übersichtliche Innenraum, der durch seine Verhältnisse, Farben und Lichtführung wirken soll, ist durch ein zeltförmiges Dach abgedeckt. Die Dachdeckung selbst erfolgt mit Kupfer. Die gemauerten starken Wände erhalten außen und innen eine Verkleidung mit gesandeten roten Klinkern. Für die Beheizung ist ein elektr. System vorgesehen. Die Kirche enthält ca. 400 Sitzplätze, Orgel und Chor sind auf einer über dem Eingang vorgesehenen Empore untergebracht." Der großzügige Innenraum der Christuskirche erstreckt sich bis unter die Dachflächen. Mit Ausnahme der an der Portalseite aufgestellten Orgelempore, die auf zwei schlanken Stahlstützen ruht, ist er frei gelassen. Die Orgelbrüstung ist eine kassettierte Holzfläche. Die Orgel wurde 2005 durch einen schlichen Nachfolgebau ersetzt. Das Rahmenwerk der verglasten Betonformsteine ist auch innen sichtbar und gliedert die Seitenwände. Der Boden ist mit dunklen, polierten Platten ausgelegt. Die Bänke sind in vier Blöcken geradlinig auf den Altar ausgerichtet. Der seitlich eingezogene Altarbereich ist durch wenige Stufen angehoben. In diesem Bereich ist die schlichte Rückwand als zusätzliche Betonung etwas vorgezogen. Der Altar und die rechts an den Stufen des Altarbereiches aufgestellte Kanzel sind aus grauschwarzem, poliertem Stein gehauen. Der Altar besteht aus einer dicke Platte, die auf zwei massiven Stützen ruht, die zu den Innenseiten jeweils schräg ausgerichtet sind. Die Kanzel besteht aus rechtwinklig geschnittenen Steinen. Sie ist gegenüber dem Altarbereich um eine Stufe angehoben. Am Antritt gibt es seitliche Eisengeländer, außerdem niedrige Geländer auf den Kanzelaußenwänden. Das Lesepult ist aus dem Stein gearbeitet. Das Taufbecken ist links vom Altar im Zentrum einer mit hellen Steinen ausgelegten, kreisförmigen Fläche aufgestellt. Es ist aus Bronze nach einem Entwurf von Herbert Kühn aus Mülheim gegossen. Den Schaft bilden drei mit Rücken zueinander stehende Frauen. Die flache Taufschale ist mit einem Bronze- bzw. Messingdeckel abgedeckt; der Knauf ist kreuzförmig. Die Christuskirche ist vergleichsweise sehr gut erhalten. In jüngerer Zeit wurde das Kupferdach durch eine neue Deckung ersetzt (Schiefer?). Begründung des Denkmalwertes qem. § 2 DSchG NW Das o.g. Objekt ist bedeutend für die Geschichte des Menschen, der Städte und Siedlungen. Für seine Erhaltung und Nutzung liegen wissenschaftliche, insbesondere architekturgeschichtliche, ortsgeschichtliche und städtebauliche Gründe vor. (Der Lageplan der Anlage ist Bestandteil der Eintragung). Der Architekt Dr.-Ing. August Jost BDA bezeichnete sein in Duisburg geführtes Büro selbst mit ,,Atelier für Baukunst". Über seine Ausbildung ist bisher nichts bekannt. Dafür kennen wir mehrere seiner Bauten aus der Nachkriegszeit. Für das ,,DVG-Haus", die Verwaltung der Duisburger Verkehrsbetriebe in Duisburg-Neudorf, (Mülheimer Str. 72-74) baute Jost 1947 einen Flügel. 1949-55 errichtete er für die Friedrich-Wilhelms-Hütte in Mülheim, (Friedrich Ebert Str. 125) einen Direktionsflügel. Jost war 1951 am sozialen Wohnungsbau in Duisburg beteiligt, worüber in der Fachliteratur berichtet wurde, Gleichzeitig errichtete er ein Landhaus in Mülheim an der Ruhr. In demselben, offenbar recht erfolgreichen Jahr konnte Jost in Duisburg-Ruhrort (Damm-straße 13) ein Geschäftshaus in der Nähe von ,,Haus Rhein" realisieren. Aus diesen überwiegend in Backsteinbauweise mit Sattel- bzw. Walmdächern errichteten Gebäuden lässt sich auf die Ausbildung des Architekten in der Zwischenkriegszeit schließen, denn sie folgen traditionellen Formen, die in der Bundesrepublik Deutschland im Profan- und Kirchenbau in der unmittelbaren Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg weit verbreitet waren. Wiederholt war August Jost auch im Kirchenbau tätig. 1959 war Jost für den Umbau der Christuskirche in der Altstadt in Oberhausen verantwortlich. Interessanterweise baute Jost konfessionsübergreifend, was nicht auf alle Kirchenbaumeister zutraf. In Voerde-Friedrichsfeld (Bülowstr. 52) baute er 1953/54 die kath. Pfarrkirche St. Elisabeth. Sie ist ein für ihre Zeit typischer, an den Formen der Zwischenkriegszeit orientierter Bau. Das Kirchenschiff erhebt sich über längsrechteckigem Grundriss und trägt ein Satteldach. Dem in Backsteinbauweise errichten Gotteshaus ist seitlich ein massiver Turm angefügt. Wie August Jost mit der Zeit ging, zeigt die von ihm zusammen mit M. Fürle in Mülheim-Heissen errichtete Schule Mühlenfeld (Mühlenfeld/Auf der Wegscheid) aus den Jahren, 1964-68 [2009 abgerissen]. Der betonsichtige Flachdachbau war ein weitgehend geschlossener Baukörper mit Belichtung durch Fenster unterhalb des Daches. Die Christuskirche in Mülheim-Saarn markiert im Schaffen von Jost einen wichtigen Schritt, denn er entwickelte hier die Formen der Architektur der 1930er bis 1950er Jahre weiter (der Weltkrieg war zwar ein weltgeschichtlicher Einschnitt, zeigte aber auf die Architekturgeschichte nur mittelbare Auswirkungen, weshalb diese Zeit sinnvollerweise zusammenzufassen ist). Die Backsteinwände und die von Betonrahmen eingefassten Fenster waren beliebte Motive bereits in den 1930er Jahren. Eine von der traditionellen Wegekirche abweichende Form ist jedoch der quadratische Grundriss, innerhalb dessen sich die Gemeinde in einer weniger stark gerichteten Weise versammelt. Weitere Motive, die in der Zeit der späten 1950er Jahre beliebt waren, sind die Betonformsteine für die Fenster, das innen offene Dach sowie die übergangslose Entwicklung von Giebeln aus den Außenwänden. All dies fasste Jost bei der Christuskirche zu einer monumentalen Erscheinung zusammen, die vor allem durch die Proportionen und die gleichmäßigen Fas-saden erzielt wird. Von besonderer Wirkung ist das betonte Eingangsportal. Das hier angebrachte Bibelzitat aus dem Markusevangelium war übrigens eine wichtiges Leitmotiv der Jugendbewegung innerhalb der katholischen Kirche. So war es wortgleich im zentralen Ort des kath. Jungmännerverbandes, in der Kapelle von Kloster Altenberg (Hans Schwippert 1933) an der Wand in großen Messinglettern zu lesen. Die Christuskirche erhebt sich einer städtebaulich wirksamen Weise auf einer Hangterrasse in dem sie umgebenden Wohngebiet, Der Turm ist aus verschiedenen Perspektiven gut sichtbar, ebenso die Kirche selbst vor allem aus der Untersicht. Mit dem Vorplatz zur Versammlung der Gemeinde wurde ihr genügend Raum im Umfeld verschafft, um ihre Wirkung zu entfalten. Auf diese Weise ist die Christuskirche im Ortsbild deutlich stärker präsent als die nicht weit entfernte katholische Kirche St. Elisabeth. Die Christuskirche ist aus ortsgeschichtlichen Gründen bedeutend, denn sie legt Zeugnis ab von den konfessionellen Veränderungen in der Nachkriegszeit, die von riesigen Migrationsbewegungen innerhalb der vormaligen Grenzen des Deutschen Reiches geprägt waren. Zahlreiche Vertriebene und Flüchtlinge kamen in die Bundesrepublik Deutschland und veränderten die häufig konfessionell homogenen Strukturen. So erlebte auch die evangelische Gemeinde in Saarn einen starken Zuwachs, der Auslöser für die Errichtung der Christuskirche war.